16. Mai 2018 Landschaften & Ökosysteme

Achtung, Invasion: Tiere und Pflanzen auf Wanderung

Amerikanische Sumpfkrebse, Nilgänse und asiatische Tigermücken: Mithilfe des Menschen haben sich einige exotische Arten in Deutschland angesiedelt. Was passiert, wenn Tier- und Pflanzenarten in ein neues Gebiet gelangen?

Oft hört man zuerst das ungewohnte Krähen – manche Leute nennen es auch Geschrei. Oder es ist das knallige Grün der Vögel, das einen genauer hinschauen lässt. Tatsächlich: In Wiesbaden leben wilde Papageienvögel. Genauer gesagt, Halsbandsittiche. Sie haben sich auch in anderen Städten an Rhein und Main angesiedelt. Gelegentlich sieht man sie dort in großen Schwärmen durch einen Park fliegen.

Manchmal sorgen Tier- und Pflanzenarten für Überraschungen, indem sie in Gebieten auftauchen, in denen sie eigentlich fremd sind. Die Halsbandsittiche zum Beispiel kommen eigentlich aus Afrika und Asien. Für Aufsehen sorgt auch, dass seit einigen Jahren immer wieder asiatische Tigermücken in Süddeutschland gefunden werden.

Wie kann so etwas passieren? Wie gelangt eine Mücke aus Asien nach Europa? Und was hat das für Folgen? Im Fall der Tigermücke sind Fachleute besorgt, weil das Insekt in Asien gefährliche Krankheiten überträgt. Und aus Sicht des Naturschutzes stellt sich die Frage, wie die heimischen Arten mit ihnen zurechtkommen. Die Halsbandsittiche zum Beispiel brüten in Baumhöhlen. Sie könnten heimischen Arten wie Spechten und Fledermäusen die Nistplätze streitig machen. 

Kommt die einheimische Natur mit den fremden Arten zurecht?

Nilgans
Nilgänse breiten sich in Deutschland aus. (Bild: Lutz Blohm / flickr.com / CC BY-SA 2.0)

Vermutlich gibt es über zehntausend Tier- und Pflanzenarten in Europa, die eigentlich aus anderen Gebieten der Welt stammen. Ein Teil von ihnen sorgt für Probleme. Manche der fremden Arten bedrohen die hiesigen Arten. Und manche stellen ein wirtschaftliches Problem dar, weil sie den Menschen in die Quere kommen. Fachleute nennen solche problematischen Arten "gebietsfremde invasive Arten". Das Wort "invasiv" ist verwandt mit "Invasion" – so nennt man es, wenn Soldaten ein fremdes Land einnehmen.

Die Europäische Union hat eine Liste mit fremden Arten herausgegeben, die als schädlich gelten. Zurzeit stehen 49 Arten darauf . Auch in Hessen haben sich einige davon ausgebreitet. Zu ihnen gehören die Pflanzenart Riesenbärenklau, der Rote Amerikanische Sumpfkrebs, die Nilgans und der Waschbär. 

Invasive Arten können Schäden anrichten, indem sie hiesige Arten verdrängen. Zum Beispiel, indem schnell wachsende Pflanzenarten anderen den Platz nehmen. Oder indem Tiere anderen Tieren die Nahrung streitig machen oder Krankheiten übertragen. Dadurch können sie ganze Ökosysteme verändern. Denn wenn eine Art verschwindet, hat das meistens auch Folgen für andere.

Für den Menschen können invasive Arten Probleme darstellen, indem sie zum Beispiel Schäden in der Landwirtschaft verursachen. Bestimmte Arten können auch Allergien und Hauterkrankungen verursachen. Oder sie können Krankheitserreger übertragen , so wie die Tigermücke.

Waschbären zum Beispiel richten sich manchmal auf Dachböden oder in Gartenhäuschen ein und können Schäden an den Gebäuden anrichten. Sie suchen Nahrung in Mülltonnen und Müllsäcken und können sogar Nistkästen öffnen, um die Jungvögel zu fressen. 

Riesenbärenklau
Riesenbärenklau wächst häufig am Ufer von Flüssen. (Bild: GerardM / de.wikipedia.org / CC BY-SA 3.0)

Der Riesenbärenklau ist ein Beispiel dafür, wie Pflanzen Menschen und anderen Tier- und Pflanzenarten gefährlich werden können. Der Riesenbärenklau kann mehrere Meter hoch werden und massenhaft dicht beieinander wachsen. So kann er andere Pflanzen verdrängen. Häufig wächst Riesenbärenklau am Ufer von Flüssen und Bächen. Dort kann er zu Erosion beitragen, das bedeutet, dass Teile des Ufers fortgespült werden. Vor allem enthalten die Pflanzen einen Stoff, der für Menschen und einige Tiere giftig ist. Das Berühren der Pflanze kann zu gefährlichen Hautreaktionen führen.

Wie gelangen die Arten in neue Gebiete?

Dass sich Tier- und Pflanzenarten in neuen Gebieten ausbreiten, kann ein ganz natürlicher Vorgang sein. Viele Tiere können weite Strecken wandern oder fliegen. Mit ihnen können auch manche Pflanzen „wandern“. Zum Beispiel, wenn Vögel ihre Samen fressen und verbreiten. Die meisten Pflanzen breiten sich allerdings nur in der näheren Umgebung aus, zum Beispiel, wenn ihre Samen mit dem Wind weitergetragen werden.

Die Menschen haben die Wanderungen von Tier- und Pflanzenarten beschleunigt. Schon vor tausenden von Jahren haben sie Arten in neue Gebiete gebracht. Zum Beispiel, als sie mit dem Ackerbau begannen. Je schneller die Menschen sich fortbewegen, desto schneller gelangen auch Tiere und Pflanzenarten in neue Gebiete.

Manchmal geschieht das absichtlich, manchmal nicht. Waschbären stammen aus Nord- und Mittelamerika. Sie wurden als Pelztiere nach Deutschland geholt. Unter anderem wurden 1934 in der Nähe des Edersees in Nordhessen absichtlich Waschbären ausgesetzt, um sie zu jagen.

Berühmte Beispiele für Arten, die absichtlich eingeführt wurden, sind Kartoffeln und Tomaten . Man kann sich heute kaum vorstellen, dass Europa einmal ohne diese Nutzpflanzen ausgekommen ist. Aber sie stammen ursprünglich aus Südamerika. Erst nach dem Jahr 1492, nach den Entdeckungsreisen von Christoph Kolumbus, gelangten die Pflanzen nach Europa.

Wenn Arten unabsichtlich in neue Gebiete gelangen, sagt man dazu „verschleppt“. Seit die Menschen mit Schiffen, Flugzeugen und LKW immer intensiver Handel treiben und Waren über den gesamten Planten transportieren, werden auch immer mehr Tier- und Pflanzenarten verschleppt. So auch die Tigermücke. Ihre Eier und Larven wurden unter anderem in Bambuspflanzen gefunden, die aus China nach Europa exportiert wurden.

Sogar Muscheln können dank des Menschen über den ganzen Planeten wandern. Denn manche Arten können sich am Rumpf von Schiffen festsetzen. Teilweise finden sie sich auch im Ballastwasser, das viele Schiffe laden.

Was passiert, wenn neue Arten ankommen?

Tigermücke
Wenn die Winter milder werden, kann sich die Tigermücke in Deutschland weiter ausbreiten. (Bild: James Gathany/CDC / commons.wikimedia.org / Public Domain)

Wenn ein Tier oder eine Pflanze außerhalb seines natürlichen Verbreitungsgebietes in die Natur gelangt, passiert in den allermeisten Fällen aber: nichts. Denn die Arten sind an ihren ursprünglichen Lebensraum angepasst. An einem fremden Ort mit anderen Lebensbedingungen kommen die Arten meistens nicht zurecht. Sie können dort ohne die Hilfe des Menschen nicht dauerhaft überleben. Der Winter in Deutschland zum Beispiel ist für Arten aus wärmeren Gegenden ein Problem.

So würde ein Löwenrudel, das aus dem Zoo ausbricht, in Deutschland kaum in freier Wildbahn überleben. Wegen der Kälte im Winter, weil es die gewohnten Beutetiere wie Zebras hier nicht gibt und auch keine weiten Steppen, sondern eine dicht besiedelte Landschaft mit Städten, Straßen, Feldern und bewirtschafteten Wäldern.

Nur wenn die Lebensbedingungen mit den Bedürfnissen der Arten zusammenpassen, können diese sich ansiedeln. Wenn eine Tier- oder Pflanzenart sich dauerhaft vermehrt und ausbreitet, nennt man sie „etabliert“.

Allerdings nimmt der Mensch auch auf grundlegende Lebensbedingungen Einfluss. Der vom Menschen ausgelöste Klimawandel führt unter anderem dazu, dass es in Deutschland weniger kalt ist. Das ist der Grund, warum die Tigermücke in einigen Gegenden überleben kann. Auch andere Arten breiten sich aus wärmeren Gegenden im Süden Europas nach Norden aus. Und manche Zugvögel, die früher im Winter weit nach Süden geflogen sind, überwintern mittlerweile in Deutschland.

Wie sollten wir mit gebietsfremden Arten umgehen?

Weil die Folgen der Einwanderung von Tieren und Pflanzen in neue Gebiete ganz unterschiedlich sein können, beobachten Fachleute diese fremden Arten zunächst. Sie erforschen, ob sie sich ausbreiten und wie sich das auf die heimischen Arten auswirkt.

Dabei kann man sogar mithelfen. Zum Beispiel wird in Hessen dazu aufgerufen, Waschbären und Asiatische Hornissen zu beobachten. Funde sollen der Uni Marburg und dem Landesamt für Naturschutz gemeldet werden.

Nur in wenigen Fällen raten Fachleute dazu, einzugreifen. So sollen Arten, die auf der Liste der Europäischen Union stehen, nicht angepflanzt werden beziehungsweise ausgesetzt. Sie sollen auch nicht verkauft oder weitertransportiert werden. Wenn entdeckt wird, dass Pflanzen von dieser Liste wild wachsen, sollen diese Bestände möglichst frühzeitig beseitigt werden.

Doch wenn sich Arten einmal angesiedelt haben, ist es meist nicht möglich, ihre weitere Ausbreitung zu verhindern oder sie sogar ganz zu entfernen. Daher sollte es möglichst von vorneherein vermieden werden, dass fremde Arten in die Natur gelangen.

Auch dabei kann man mithelfen! So sollte man im eigenen Garten und auf dem Balkon bewusster mit Pflanzen umgehen. Wer Pflanzen anbaut, die nicht heimisch sind, sollte zum Beispiel Gartenabfälle nicht in der freien Landschaft entsorgen. Natürlich sollten auch Tiere nicht ausgesetzt werden.

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