02. Dezember 2024 Tiere & Natur, Tiere

Bionik: (Fast) so genial wie die Natur

Ultraleichte Stoffe, die nicht nass werden? Messer, die sich selber schärfen? In der Natur sind solche Eigenschaften und Fähigkeiten völlig selbstverständlich. Wie auch wir Menschen uns die genialen Erfindungen der Natur zunutze machen können, darum geht es in der "Bionik".

Forscherinnen und Forscher geraten ins Schwärmen, wenn sie von Spinnenseide sprechen. Sie ist stärker als ein Stahlseil, elastischer als ein Gummiband und dabei dünner als ein Haar. Was könnte wir Menschen damit alles anfangen – wenn wir Spinndrüsen hätten. Haben wir aber nicht. Deshalb müssen wir die Erfindungen der Natur im Labor künstlich nachahmen. Dafür gibt es sogar eine eigene Wissenschaft: Die “Bionik” guckt professionell bei der Natur ab.

Das Wort “Bionik” ist ein Kunstwort aus den Wörtern BIOlogie und TechNIK. Fachleute aus verschiedenen Wissenschaften arbeiten dabei eng zusammen. Deshalb ist der Begriff “abgucken” natürlich untertrieben. Denn beim bloßen Abgucken bleibt es nicht: Erst wenn die Wissenschaft genau verstanden hat, wie etwas in der Natur funktioniert, können wir uns natürliche Vorbilder zunutze machen – und so neue technische Lösungen finden.

Eine Libelle sitzt auf einem dünnen Ast.
Libellen, Fliegen oder Bienen haben Facettenaugen. Sie bestehen aus Hunderten oder sogar Tausenden Einzelaugen. Damit können die Insekten blitzschnelle Bewegungen wahrnehmen und haben einen weiten Rundum-Blick. In sehr kleinen Kameras, wie sie zum Beispiel in der Medizin verwendet werden, kann man sich diese Technik zunutze machen. (Bild: Alexas Fotos / Pixabay.com / Pixabay-Inhaltlizenz)

Warum ist die Natur so genial?

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Seit Jahrmillionen passen sich Tier- und Pflanzenarten ihrer Umgebung an. Das ist ein ständiger Prozess, den man “Evolution” nennt. Dabei “erfindet” die Natur nicht dauernd etwas Neues, sondern Evolution passiert zufällig – indem gut angepasste Arten sich erfolgreich vermehren und weniger gut angepasste aussterben. Was dabei im Laufe der Zeit herausgekommen ist, ist trotzdem genial. Vor allem, weil in der Natur nichts verschwendet wird. Hier geht es immer darum, Energie und Rohstoffe zu sparen, um das Überleben zu sichern.

Vögel zum Beispiel haben ein besonders leichtes Skelett, denn ihre Knochen sind hohl. So brauchen sie beim Fliegen wenig Energie. Das Fell der Eisbären ist so gut isoliert, dass sie auch bei eisigen Temperaturen keine Wärme verlieren. Fische, die in Schwärmen unterwegs sind, müssen sich nicht lange besprechen, um in dieselbe Richtung zu schwimmen – und können deshalb blitzschnell auf Angriffe reagieren. Was können wir Menschen daraus lernen? An dieser Stelle kommt die Bionik ins Spiel.

Von der Natur inspiriert

Ein Bieber schwimmt durch Wasser.
Nagetiere wie der Biber haben immer scharfe Zähne. Nach demselben Prinzip kann man Messer herstellen, die sich selbst schärfen. (Bild: NPS Photo/Emily Mesner / Wikimedia Commons / cc 0 gemeinfrei)

Stichwort Rohstoffe sparen: Biber gehen nie zum Zahnarzt, haben aber trotzdem immer scharfe Zähne. Damit fällen sie sogar Bäume! Wie machen sie das? Auch die Fachleute haben sich diese Frage gestellt und sich die Zähne von Nagetieren genau angeschaut. Mit Hilfe ihrer Forschungsergebnisse konnten Klingen hergestellt werden, die sich selbst schärfen. Sie werden in großen Produktionsbetrieben eingesetzt, in denen dadurch viel Material und Zeit gespart werden kann.

Kletten.
Die Samen der Klette haben kleine Häkchen, die im Fell von vorbeilaufenden Tieren haften bleiben. Sie sind das Vorbild für den Klettverschluss. (Bild: sergej_spas / Pixabay.com / Pixabay-Inhaltslizenz)

Es gibt aber auch viele ganz alltägliche Beispiele für Bionik. Wie zum Beispiel der Klettverschluss. Er funktioniert nach dem Prinzip der Klette. Das ist eine Pflanze, deren Samen am Fell von Tieren haften und sich dadurch verbreiten. Und wie macht die Klette das? Mit kleinen Häkchen – genau wie die, die beim Klettverschluss am weichen Stoff haften.

Das Blatt einer Lotusblume und ein Tropfen Wasser darauf.
Immer blitzblank: Von den Blättern der Lotusblume perlt das Wasser ab und nimmt den Schmutz gleich mit. Diese Eigenschaften kommen zum Beispiel bei der Herstellung von Waschbecken oder Glasdächern zum Einsatz. (Bild: Arulonline / Pixabay.com / Pixabay-Inhaltslizenz)

Intelligenz in der Natur

Von Moostierchen und Haien lernen

Lies noch viele weitere Beispiele im Interview mit Bioniker Simon Schneider.

Doch Bionik hört nicht bei technischen Lösungen auf. Sie ist noch viel mehr, denn sie kann sogar unser menschliches Verhalten beeinflussen. Ein spannendes Phänomen in der Natur ist das Verhalten von Schwärmen. Die Bionik fragt etwa: Wie kann ein Schwarm aus Tausenden Fischen schlauer sein als der einzelne Fisch? Wieso wissen die Sardinen im Schwarm, wo der Raubfisch zuschlägt, obwohl sie ihn nicht sehen?

Ein Fischwarm im Meer.
Das Verhalten von Schwärmen ist für die Bionik besonders interessant. (Bild: Anna Varona / Wikimedia Commons / CC BY 4.0)

In Experimenten mit Menschengruppen haben Forscherinnen und Forscher herausgefunden, dass auch wir wie ein Schwarm handeln können. Diese Erkenntnis kann zum Beispiel helfen, bei Großveranstaltungen die Menschen bestmöglich zum Zielort zu lenken. Bei Computerprogrammen werden die Erkenntnisse aus der Schwarmforschung ebenfalls eingesetzt: Das Schwarmverhalten von Ameisen ist zum Beispiel Vorbild für intelligente Ampelanlagen. Sie stimmen sich untereinander ab und regeln ganz selbstständig den Verkehr.

Was hat Bionik mit Artenvielfalt zu tun?

Ein Tukan sitzt auf einem Ast.
Dieser Tukan lebt im tropischen Regenwald in Brasilien. Dort gibt es besonders viele verschiedene Tier- und Pflanzenarten, von denen noch längst nicht alle entdeckt oder beschrieben wurden. (Bild: © Jasper Moltrecht)

Bionik und Artenvielfalt gehören eng zusammen, denn die Vielfalt der Arten ist eine riesige Quelle intelligenter Ideen. Ohne die Vorbilder der Natur gäbe es viele Erfindungen der Menschen nicht. Doch bisher ist nur ein kleiner Teil der Tier- und Pflanzenarten der Erde überhaupt entdeckt und beschrieben.

Klar ist aber auch: Täglich sterben Arten aus und die Vielfalt nimmt ab. So gehen großartige Ideen der Natur für immer verloren. Auch deshalb ist es wichtig, die Artenvielfalt zu erhalten. Wie das gelingen kann, ist in der “Konvention über die biologische Vielfalt” festgehalten. Dieses Abkommen wurde von 190 Staaten der Erde unterzeichnet. Sie haben sich dazu verpflichtet, das Artensterben zu stoppen.

Dabei geht es auch darum, wie die Natur als wertvolle Quelle für die Wissenschaft erhalten werden kann und was dafür getan werden muss. Gerade in einigen ärmeren Ländern der Erde ist die Artenvielfalt besonders hoch. Deshalb sollen reiche Staaten sie mit Geld unterstützen, wenn sie diesen Schatz für die Wissenschaft nutzen wollen.

Wunderzeug Spinnenseide?!

Und was ist aus der Spinnenseide geworden? Bestimmte Inhaltsstoffe der Spinnenseide können bereits künstlich hergestellt werden. Sie werden zum Beispiel in der Medizin verwendet. Doch bevor wir wirklich ultraleichte, reißfeste Kleidung aus künstlicher Spinnenseide im Laden kaufen können, wird es wohl noch einige Zeit dauern.

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