Den Tiefsee-Wesen auf der Spur: Interview mit Meeresforscher Henry Knauber
Am Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt erforscht der Meeresbiologe Henry Knauber die Tiefsee. Klingt spannend? Das finden wir auch. Deshalb hat ÖkoLeo Herrn Knauber für dich ausgefragt. Lies hier, wie die Forschung dem Leben in der Tiefsee auf den Grund geht.
ÖkoLeo: Lieber Herr Knauber, das Wort “Tiefsee” klingt spannend und geheimnisvoll. Ist sie das auch?
Henry Knauber: Ja, das ist sie! Die Tiefsee ist der größte Lebensraum, den wir auf unserem Planeten haben. Aber das meiste davon ist noch gar nicht erforscht. Dort unten gibt es so viele verschiedene Tierarten, aber wir kennen bisher nur einen winzigen Teil. Wahrscheinlich sind bis zu 90 Prozent der Arten noch unentdeckt.

ÖkoLeo: Wie kommt das?
Henry Knauber: Bis vor rund 150 Jahren haben die Menschen gedacht, dass die Tiefsee tot sei und es dort gar kein Leben gäbe. Die Tiefseeforschung ist also noch ein recht junges Forschungsfeld. Heute wissen wir: Da unten gibt es Arten und Lebensformen, die so andersartig sind, dass wir Menschen sie uns gar nicht ausdenken könnten. Denn die Lebensbedingungen in der Tiefsee sind ganz anders als an Land.

ÖkoLeo: Wie müssen wir uns die Tiefsee denn vorstellen?
Henry Knauber: Die Tiefsee ist dunkel und es ist nahezu überall 2 Grad kalt. Es gibt Gebirge und tiefe Gräben, aber der größte Teil des Meeresgrundes besteht aus geradezu endlosen Ebenen in 4000 bis 6000 Metern Tiefe. Dort unten herrscht außerdem ein extrem hoher Druck.

ÖkoLeo: Und wie können Sie unter solchen Bedingungen die Lebewesen erforschen?
Henry Knauber: Dafür ist auf den Forschungsschiffen eine Menge Technik nötig. Wir können zum Beispiel Kameras herablassen und den Tiefseeboden filmen. Dann sitzen wir oben im Schiff und schauen direkt auf den Meeresgrund 6000 Meter unter dem Schiffskiel.
ÖkoLeo: Wie spannend!
Henry Knauber: Ja, wirklich! Bei meiner allerersten Forschungsfahrt haben wir dabei einen Oktopus entdeckt, der noch nie zuvor lebend gesehen wurde. Er heißt Kaiser-Dumbo-Oktopus, weil er am Kopf Flossen hat, die Elefantenohren ähneln.
Filmsequenz: Kaiser-Dumbo-Oktopus am Meeresgrund
ÖkoLeo: Wenn man sich den Film anschaut, sieht es dort unten aber tatsächlich ziemlich tot aus…
Henry Knauber: Viele Lebewesen am Meeresgrund sind winzig klein, aber unglaublich vielfältig. Wenn wir Proben des Meeresbodens an Bord holen, finden wir darin jedes Mal viele neue Tierarten, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat.

ÖkoLeo: Wie holen Sie denn den Meeresboden an Bord?
Henry Knauber: Zum Beispiel mit dem Kastengreifer. Er stanzt ein Stück aus dem Tiefseeboden heraus und bringt es an Bord. Mein Lieblingsgerät ist der Epibenthos-Schlitten. Den ziehen wir hinter dem Schiff über den Meeresgrund. Dabei sammelt er große Mengen Sand, Steine und Schlamm. Darin befinden sich die kleinen Tiere, die uns interessieren.

ÖkoLeo: Und wie finden Sie die Tiere darin?
Henry Knauber: An Bord gibt es voll ausgestattete Labore, in denen wir die Bodenproben betrachten können, auch unter dem Mikroskop. Wir finden Krebse, Würmer, Schnecken, Muscheln, Seesterne und viele weitere Tiergruppen, die wir auch aus dem Flachwasser kennen. Aber es sind ganz andere Arten.

ÖkoLeo: Wie kommt das?
Henry Knauber: Genau das ist die Frage! Der Meeresboden sieht ja auf den ersten Blick überall gleich eintönig aus. Warum also gibt es dort so unglaublich viele verschiedene Tierarten? Und wie konnten sie sich entwickeln? Das wollen wir herausfinden.
Mitmach-Museen in Hessen
In diesen Museen kannst du selbst in den Laborkittel schlüpfen und experimentieren.
ÖkoLeo: Warum ist das wichtig?
Henry Knauber: Die Tiefsee spielt als größter Lebensraum unseres Planeten eine wichtige Rolle für das gesamte Leben und das Klima auf der Erde. Das Meer steht mit allem in Verbindung. Deshalb ist es wichtig, dass wir verstehen, wie die Tiefsee als Ökosystem funktioniert, was für Leben dort existiert und wie diese große Vielfalt entstehen konnte.
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