17. April 2025 Zuhause & Unterwegs

Den Tiefsee-Wesen auf der Spur: Interview mit Meeresforscher Henry Knauber

Am Senckenberg Forschungsinstitut Frankfurt erforscht der Meeresbiologe Henry Knauber die Tiefsee. Klingt spannend? Das finden wir auch. Deshalb hat ÖkoLeo Herrn Knauber für dich ausgefragt. Lies hier, wie die Forschung dem Leben in der Tiefsee auf den Grund geht.

ÖkoLeo: Lieber Herr Knauber, das Wort “Tiefsee” klingt spannend und geheimnisvoll. Ist sie das auch?

Henry Knauber: Ja, das ist sie! Die Tiefsee ist der größte Lebensraum, den wir auf unserem Planeten haben. Aber das meiste davon ist noch gar nicht erforscht. Dort unten gibt es so viele verschiedene Tierarten, aber wir kennen bisher nur einen winzigen Teil. Wahrscheinlich sind bis zu 90 Prozent der Arten noch unentdeckt.

Ein Mann guckt in die Kamera.
Tiefseeforscher Henry Knauber hat Biologie studiert und sich unter anderem auf Evolutionsbiologie spezialisiert. Dabei geht es um die Frage, wie die vielen verschiedenen Arten auf unserer Erde entstanden sind und wie sie sich weiterentwickeln. (Bild: ©Moritz Boll)

ÖkoLeo: Wie kommt das?

Henry Knauber: Bis vor rund 150 Jahren haben die Menschen gedacht, dass die Tiefsee tot sei und  es dort gar kein Leben gäbe. Die Tiefseeforschung ist also noch ein recht junges Forschungsfeld. Heute wissen wir: Da unten gibt es Arten und Lebensformen, die so andersartig sind, dass wir Menschen sie uns gar nicht ausdenken könnten. Denn die Lebensbedingungen in der Tiefsee sind ganz anders als an Land.

Ein blau leuchtender Tiefsee-Tintenfisch.
Dieser Tiefsee-Tintenfisch ist nur 8 Zentimeter groß. Um sich vor Fressfeinden zu schützen, schwimmt er in Schwärmen und nutzt Lichtsignale zur Tarnung. Das Licht kann er mit Spezialorganen selbst erzeugen. (Bild: © Modell: Rolf Spitz. Foto: Sven Tränkner / Senckenberg)

ÖkoLeo: Wie müssen wir uns die Tiefsee denn vorstellen?

Henry Knauber: Die Tiefsee ist dunkel und es ist nahezu überall 2 Grad kalt. Es gibt Gebirge und tiefe Gräben, aber der größte Teil des Meeresgrundes besteht aus geradezu endlosen Ebenen in 4000 bis 6000 Metern Tiefe. Dort unten herrscht außerdem ein extrem hoher Druck.

Ein Fisch vor einem schwarzen Hintergrund.
Himantolophus groenlandicus ist ein Tiefsee-Anglerfisch. Oben am Kopf trägt er eine leuchtende Flosse, mit der er wie mit einer Angel Beutetiere anlockt. (Bild: © Sven Tränkner / Senckenberg)

ÖkoLeo: Und wie können Sie unter solchen Bedingungen die Lebewesen erforschen?

Henry Knauber: Dafür ist auf den Forschungsschiffen eine Menge Technik nötig. Wir können zum Beispiel Kameras herablassen und den Tiefseeboden filmen. Dann sitzen wir oben im Schiff und schauen direkt auf den Meeresgrund 6000 Meter unter dem Schiffskiel.

ÖkoLeo: Wie spannend!

Henry Knauber: Ja, wirklich! Bei meiner allerersten Forschungsfahrt haben wir dabei einen Oktopus entdeckt, der noch nie zuvor lebend gesehen wurde. Er heißt Kaiser-Dumbo-Oktopus, weil er am Kopf Flossen hat, die Elefantenohren ähneln.

Filmsequenz: Kaiser-Dumbo-Oktopus am Meeresgrund

Dies ist erste Videoaufnahme eines Kaiser-Dumbo-Oktopus in 5300 Metern Tiefe. Damit man etwas erkennt, beleuchtet die Kamera den Meeresboden. In Wirklichkeit ist es in der Tiefsee vollkommen dunkel. (Bild: © AleutBio - Senckenberg)

ÖkoLeo: Wenn man sich den Film anschaut, sieht es dort unten aber tatsächlich ziemlich tot aus…

Henry Knauber: Viele Lebewesen am Meeresgrund sind winzig klein, aber unglaublich vielfältig. Wenn wir Proben des Meeresbodens an Bord holen, finden wir darin jedes Mal viele neue Tierarten, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat.

Mehrere Krebsarten vor schwarzem Hintergrund.
Unglaublich vielfältig: Hier siehst du verschiedene Asselkrebse aus bis zu 8000 Metern Tiefe. (Bild: © Henry Knauber)

ÖkoLeo: Wie holen Sie denn den Meeresboden an Bord?

Henry Knauber: Zum Beispiel mit dem Kastengreifer. Er stanzt ein Stück aus dem Tiefseeboden heraus und bringt es an Bord. Mein Lieblingsgerät ist der Epibenthos-Schlitten. Den ziehen wir hinter dem Schiff über den Meeresgrund. Dabei sammelt er große Mengen Sand, Steine und Schlamm. Darin befinden sich die kleinen Tiere, die uns interessieren.

Ein Forschungsgerät wird aus dem Wasser gezogen.
Wenn der Epibenthos-Schlitten an Bord geholt wird, trägt er in seinem Inneren Hunderte Kilo Meeresboden. Die genaue Untersuchung der Bodenproben dauert Jahre. Doch es lohnt sich: Die Forscherinnen und Forscher entdecken jedes Mal neue unbekannte Lebewesen. (Bild: © Henry Knauber)

ÖkoLeo: Und wie finden Sie die Tiere darin?

Henry Knauber: An Bord gibt es voll ausgestattete Labore, in denen wir die Bodenproben betrachten können, auch unter dem Mikroskop. Wir finden Krebse, Würmer, Schnecken, Muscheln, Seesterne und viele weitere Tiergruppen, die wir auch aus dem Flachwasser kennen. Aber es sind ganz andere Arten.

Ein Mann schaut in ein Mikroskop.
Wenn die Proben vom Meeresboden an Bord sind, kommt der langwierige Teil der Arbeit: Stück für Stück untersuchen Henry Knauber und seine Kolleginnen und Kollegen die Bodenproben unter dem Mikroskop. (Bild: © Henry Knauber)

ÖkoLeo: Wie kommt das?

Henry Knauber: Genau das ist die Frage! Der Meeresboden sieht ja auf den ersten Blick überall gleich eintönig aus. Warum also gibt es dort so unglaublich viele verschiedene Tierarten? Und wie konnten sie sich entwickeln? Das wollen wir herausfinden.

Mitmach-Museen in Hessen

In diesen Museen kannst du selbst in den Laborkittel schlüpfen und experimentieren.

ÖkoLeo: Warum ist das wichtig?

Henry Knauber: Die Tiefsee spielt als größter Lebensraum unseres Planeten eine wichtige Rolle für das gesamte Leben und das Klima auf der Erde. Das Meer steht mit allem in Verbindung. Deshalb ist es wichtig, dass wir verstehen, wie die Tiefsee als Ökosystem funktioniert, was für Leben dort existiert und wie diese große Vielfalt entstehen konnte.

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