10. März 2020 Landschaften & Ökosysteme

Feldhamster in Hessen: Warum brauchen sie Schutz?

Früher lebten auf fast jedem Feld in Hessen wilde Hamster. Heute sind sie fast ausgestorben. Feldhamster-Expertin Melanie Albert erklärt im Interview, wie es dazu kam – und wie wir diese Tierart schützen können.

ÖkoLeo: Hamster kennen die meisten nur als Haustier. Wie kann ich mir einen "wilden" Feldhamster vorstellen?

Melanie Albert: Wild! (Lacht.) Denn Feldhamster sind typische Beutetiere. Die müssen sich wehren, um nicht gefressen zu werden. Wenn man so einem Feldhamster begegnet, dann stellt der sich auf die Hinterbeine, bläst die Backentaschen auf und schnattert so mit den Zähnen. Oder er rennt weg.

ÖkoLeo: Und wie sehen Feldhamster aus? Auf Fotos ähneln sie den Haustieren.

Melanie Albert: Feldhamster sind größer als Haustierhamster. Bis zu dreißig Zentimeter können die lang werden. Und das Fell ist anders gefärbt.

ÖkoLeo: Man sieht aber schon, dass sie verwandt sind?

Melanie Albert: Ja, Feldhamster haben auch diese Backentaschen und große Ohren. Und diese kleinen, nach vorne stehenden Augen. Tatsächlich stammen alle Arten von Haustierhamstern von wilden Hamstern ab.

Melanie Albert kniet auf einem Feld
Melanie Albert ist Biologin und arbeitet für ein Schutzprojekt für Feldhamster. (Bild: AGF)

ÖkoLeo: Wo genau leben die Feldhamster?

Melanie Albert: Bei uns in Deutschland fast ausschließlich in der Agrarlandschaft. Also in Feldern – wie der Name schon sagt. Historisch kommt die Art eigentlich aus einer Steppenlandschaft. Aber sowas gibt es bei uns nicht mehr. Feldhamster leben hauptsächlich in Getreideflächen, die ähneln ein bisschen der Steppe. 

ÖkoLeo: Aber die Tiere wohnen nicht mitten auf dem Feld, oder?

Melanie Albert: Doch, mitten auf dem Feld. Beziehungsweise unten drunter. Ein Feldhamster gräbt sich mitten im Acker seinen Bau. Zwei Meter tief unter der Erde, mit mehreren Kammern. Also eine richtige Wohnung, könnte man sagen.

Viele junge Feldhamster in ihrem Bau.
Junghamster im unterirdischen Hamsterbau. (Bild: Manfred Sattler)

ÖkoLeo: Ich habe gelesen, dass Feldhamster zu den häufigsten Nagetieren gehörten. Vergleichbar mit Mäusen oder Ratten. Stimmt das?

Melanie Albert: Ja, in der Vergangenheit schon. Da gab es manchmal Hamsterjahre, in denen sich die Tiere massenhaft vermehrt haben. So wie Mäusejahre. Denn Feldhamster können sehr viele Jungtiere bekommen, so wie Mäuse. Sie machen Winterschlaf ungefähr bis April. Ab dann können sie bis zu drei Würfe bekommen. Und das können jeweils bis zu zehn Jungtiere sein. Wenn es solche Massenvermehrungen gab, wurden Feldhamster natürlich auch gefangen, weil sie als Ernteschädling galten.  Manchmal gab es auf einem Acker hunderte Hamster. Das kann man sich heute kaum vorstellen.

ÖkoLeo: Heute sind sie vom Aussterben bedroht. Wie kommt das?

Melanie Albert: Die Agrarlandschaft hat sich extrem verändert. Die Felder sind alle riesig geworden, und es werden nur wenige verschiedene Feldfrüchte angebaut. Wenn nur noch eine Sorte Getreide angebaut wird, dann wird natürlich alles zur gleichen Zeit geerntet. Die Getreideernte ist inzwischen bereits im Juli, danach sind die meisten Felder leer. Das heißt, innerhalb von kürzester Zeit sitzt der Feldhamster mitten im Sommer auf einem leeren Acker. Und hat nichts mehr zu fressen.

Noch ein Problem ist, dass der Feldhamster auf einem leeren Feld leicht gesehen und gefressen wird. Dummerweise passiert die Ernte auch zu der Zeit, wenn Jungtiere zur Welt kommen und selbständig werden. Diese unerfahrenen Jungtiere werden in der Regel noch vor dem ersten Winter gefressen. Sie gehen erst im Oktober in den Winterschlaf. Bis dahin ist noch eine lange Zeit, in der sie Nahrung sammeln müssen, aber auch nicht von Greifvögeln oder Mardern und Füchsen gesehen werden dürfen.

ÖkoLeo: Was kann man für den Schutz der Feldhamster tun? Man kann den Landwirten ja nicht einfach vorschreiben, was sie anbauen sollen.

Panoramaaufnahme eines Feldes
Auf diesem Feld wurden Streifen mit Getreide für die Hamster stehengelassen. (Bild: Sebastian Richter)

Melanie Albert: Die Landwirte können zum Beispiel Getreide stehen lassen. Dafür bekommen sie eine Entschädigung vom Land Hessen. Sie ernten einen Streifen nicht ab, und dorthin kann sich der Feldhamster dann verziehen. Er legt dann einen neuen Bau an und findet noch genug Futter.

Außerdem hilft es dem Feldhamster, Blühstreifen anzulegen. Denn er frisst auch Insekten, Würmer und Grünpflanzen, die findet er dort. Außerdem bieten solche Flächen auch Deckung und eine sichere Rückzugsmöglichkeit.

Das geht nicht immer, aber viele Landwirte machen mit. Inzwischen freuen sich viele Landwirte über ihre Feldhamster.

ÖkoLeo:  Damit sich wieder mehr Feldhamster ansiedeln, werden manchmal Tiere in Hessen ausgewildert. Wie kann man sich das vorstellen, was bedeutet das?

Melanie Albert: Gerade im Rhein-Main Gebiet wird sehr viel gebaut, meist in Agrarflächen. Da kommt es hin und wieder vor, dass Tiere gerettet werden müssen. Das heißt, wir fangen die Feldhamster, die dort leben, und bringen sie in eine Auffangstation. Von dort werden sie in geeignete Lebensräume ausgewildert.

In anderen Regionen gibt es auch Wiederansiedlungen. Da werden nachgezüchtete Hamster in Gebieten ausgewildert, in denen es schon lange keine wildlebenden Tiere mehr gibt.

ÖkoLeo: Was muss ich tun, um Feldhamster zu beobachten?

Melanie Albert: Das klappt nur, wenn Sie ganz, ganz, ganz viel Glück haben! Aber es ist eher unwahrscheinlich. Feldhamster sind dämmerungs- und nachtaktiv. Wenn man weiß, wo es Feldhamster gibt, dann kann man das natürlich probieren: Man kann dann im Sommer in der Dämmerung vor einem Acker warten.

Mitmachen beim Feldhamster-Projekt

Mitmachen beim Feldhamster-Projekt

Beim Schutz der Tiere werden Freiwillige gebraucht.

Wenn wir vom Feldhamsterprojekt im Sommer über die Felder gehen, da kommt es schon hin und wieder vor, dass wir einen Bau finden und Jungtiere aus dem Eingang gucken.

Also ist es am besten, mit uns auf die Suche nach Feldhamstern zu gehen!

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