17. März 2020 Tiere, Landschaften & Ökosysteme

Krötenwanderung: Wie sich Mensch und Amphibien in die Quere kommen

Kröten müssen wandern, denn sie verbringen Winter und Sommer an unterschiedlichen Orten. Doch der Mensch verändert Landschaft und Klima – dadurch verschwinden die Lebensräume der Amphibien.

ÖkoLeo: Im Frühjahr sieht man an einigen Straßen Krötenzäune und Warnschilder. Was ist da los?

Dominik Heinz: Es ist Krötenwanderung! Genauer gesagt, es sind nicht nur die Kröten, die jetzt wandern, sondern alle Arten von Amphibien. Die meisten verbringen den Winter und den Sommer an unterschiedlichen Orten. Das heißt, sie müssen zwischen diesen beiden Lebensräumen wandern.

Die meisten beginnen ihre Wanderschaft, wenn es keinen Frost mehr gibt und die Temperaturen in der Nacht über fünf oder sechs Grad liegen. Ideal ist es, wenn es auch ein bisschen feucht ist.

Porträtfoto von Dominik Heinz
Dominik Heinz ist Referent für Amphibienschutz beim Naturschutzbund Hessen (NABU). (Bild: NABU)

ÖkoLeo: Und bei ihrer Wanderung müssen die Tiere Straßen überqueren?

Dominik Heinz:  Ja, die Amphibien müssen zu den Gewässern wandern, in denen sie sich fortpflanzen. Überall, wo Gewässer sind, sind auch Amphibien auf Wanderschaft. Oft sieht man das nicht. Aber wenn sie einen Weg oder eine Straße überqueren müssen, dann sieht man natürlich sehr, sehr gut, dass die Tiere unterwegs sind. Für die Tiere ist das leider sehr gefährlich. Häufig werden sie von Autos überfahren.

ÖkoLeo: Warnschilder und Zäune sieht man nur an bestimmten Stellen. Wie kommt das?

Dominik Heinz: Typisch ist, dass auf der einen Seite der Straße Wald ist und auf der anderen Seite das Gewässer. Die Warnschilder werden aufgestellt, damit die Autofahrer frühzeitig Bescheid wissen. Dabei geht es sowohl um die Tiere als auch um den Schutz der Helfer. Die bauen dort Zäune auf und tragen die Tiere über die Straße.

Dreieckiges Straßenschild mit Aufschrift "Krötenwanderung!"
Hier sollten Autos nicht schneller als 30 km/h fahren. (Bild: Helge May / NABU e. V.)

ÖkoLeo: Ich persönlich habe an solchen Stellen bisher nur Kröten gesehen. Welche Amphibien sind außer den Kröten unterwegs?

Dominik Heinz: Ganz besonders betroffen ist die Erdkröte, deswegen wird von der Krötenwanderung gesprochen. Aber es sind auch Grasfrösche unterwegs und Molche wie der Bergmolch, der Teichmolch oder auch der Kammmolch. Oder auch Feuersalamander. Die sind allerdings zum Teil etwas früher im Jahr unterwegs, wenn es noch kühler ist.

Die Molche sind allerdings meistens sehr klein. Die nimmt man kaum wahr, wenn man mit dem Auto unterwegs ist.

Was viele gar nicht wissen: Es kann für die Tiere auch gefährlich sein, wenn ein Auto sie nicht überfährt, aber über sie hinwegfährt. Die Autos erzeugen einen Unterdruck und das kann die Organe der Tiere verletzen. Deswegen sollten Autos nur 30 km/h fahren.

ÖkoLeo: Was genau passiert an den Krötenzäunen?

Dominik Heinz: Die werden aufgestellt, damit Kröten und Co. nicht auf die Straßen laufen können. Sie laufen an den Zäunen entlang. Dort sind in regelmäßigen Eimer eingegraben, in die die Tiere hineinfallen. Die Zäune werden morgens und abends kontrolliert, und die Tiere werden über die Straße getragen und an einer ungefährlichen Stelle wieder ausgesetzt.

ÖkoLeo: Wer macht denn so etwas? Das ist ja eine Menge Arbeit.

Dominik Heinz: Das ist eine riesengroße Menge Arbeit. Häufig kümmern sich Naturschutzgruppen wie die vom Naturschutzbund (NABU) darum. Das sind Menschen, die sich für den Schutz dieser Tiere einsetzen wollen. Sie kümmern sich vier bis sechs Wochen lang um den Zaun, bis alle Tiere zu ihrem Gewässer gekommen sind. Dann wird der Zaun abgebaut. Während dieser Zeit muss man morgens und abends kontrollieren. Die Tiere sollten nicht tagsüber in den Eimern sein, denn dort haben sie keinen Schutz vor der Sonne oder vor Fressfeinden.

Eimer und Zaun im Gras
Der Zaun hindert Kröten daran, die Straße zu überqueren. Sie fallen in Eimer – und werden von Helfern hinübergetragen. (Bild: E. Neuling / NABU e. V.)

ÖkoLeo: Manche Amphibienarten wie der Feuersalamander sind gefährdet. Wie kommt das? Liegt das daran, dass so viele Tiere überfahren werden?

Dominik Heinz: Ein sehr, sehr großes Problem bei den Amphibien ist, dass sie ihre Lebensräume verlieren. Noch vor zweihundert Jahren sah unsere Landschaft ganz anders aus. Es gab nicht so große Ackerflächen wie heute, sondern es war alles etwas kleiner. Und es waren nicht so viele Flächen trockengelegt.

Leider hat der Mensch alles nach seinen Vorstellungen geordnet. Fast jeder Acker wird entwässert. Kleingewässer und Matschpfützen sind nach und nach aus der Landschaft verschwunden. Aber die Amphibien sind auf Kleingewässer angewiesen. Für sie wäre es gut, wenn der Mensch wieder mehr nasse Stellen zulassen würde.

ÖkoLeo: Das Hessische Umweltministerium warnt, dass bestimmte Tierarten besonders durch den Klimawandel betroffen sind. Dazu gehören auch verschiedene Amphibienarten. Warum könnte der Klimawandel den Amphibien besondere Probleme machen?

Dominik Heinz: Der Klimawandel macht fast allen Amphibien zu schaffen, weil sich dadurch die Regenfälle verändern. Gerade in den letzten beiden Sommern sind die kleinen Gewässer, welche viele Arten brauchen, zu früh ausgetrocknet.

Der Feuersalamander zum Beispiel ist ganz stark davon betroffen, weil er sehr kleine Waldbäche zur Fortpflanzung nutzt. In den letzten beiden Jahren sind die meisten davon ausgetrocknet. Die Larven der Feuersalamander hatten nicht genug Zeit, um sich zu entwickeln und sich rechtzeitig vom Wasser auf das Landleben umzustellen.

ÖkoLeo: Warum ist es wichtig, die Amphibien zu schützen? Welche Rolle spielen sie in der Natur?

Dominik Heinz: Amphibien haben eine sehr wichtige Rolle. Zum einen ernähren sie sich von Insekten und helfen mit, dass sie sich nicht massenhaft vermehren. Zum anderen dienen Amphibien anderen Tieren als Nahrung. Das hört sich vielleicht gemein an, aber ein Storch zum Beispiel frisst eben mal einen Molch oder einen Frosch. Und wenn diese Tiere aus der Landschaft verschwinden, bekommen auch Arten wie der Storch Probleme. Es ist ein zusammenhängendes Netz.

ÖkoLeo: Kann ich auch beim Krötenzaun mithelfen?

Dominik Heinz: Dazu wendet man sich am besten an die örtliche Naturschutzgruppe. Oder man kann beim NABU-Landesverband anfragen. Ich muss aber dazu sagen: Für die Kontrollgänge am Krötenzaun braucht man ein bisschen Zeit. Und sie finden früh morgens und abends statt. Die Zeiten sind nicht ideal für viele Schülerinnen und Schüler.

ÖkoLeo: Was kann ich sonst selbst tun, um Amphibien zu schützen?

Dominik Heinz: Was den Amphibien sehr gut hilft ist, dass man seinen Garten nicht so sehr aufräumt. Das heißt zum Beispiel, Haufen aus Laub und Ästen auch mal liegen zu lassen. Dort können sich Amphibien im Winter oder bei starker Trockenheit im Sommer zurückziehen.

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