05. November 2019 Klimaschutz

Klimaschutz in der Kleinstadt: Herr Bürgermeister, was kann Witzenhausen tun?

Viel Platz, viel Wald, kleine Ortsteile: Witzenhausen ist typisch für viele Regionen in Hessen. Bürgermeister Daniel Herz erklärt im Interview, wie sich die Stadt um Klimaschutz bemüht und was die Feuerwehr damit zu tun hat.

ÖkoLeo: Herr Bürgermeister, Witzenhausen ist 2019 Mitglied der Klimakommunen in Hessen geworden. Was bedeutet das und was nützt das?

Daniel Herz: Die Klimakommunen sind ein Netzwerk von jetzt 201 Städten und Gemeinden in Hessen, die sich mit den Themen Klimaschutz und Klimaanpassung beschäftigen. Das Netzwerk hilft uns, weil wir die Erfahrungen der anderen Städte und Gemeinden nutzen können. Gute Ideen können wir vielleicht auch bei uns umsetzen. Außerdem unterstützt das Land die Klimakommunen. Sie bekommen für viele Maßnahmen Fördergelder.

ÖkoLeo: Können Sie uns ein Beispiel für solche Maßnahmen nennen?

Daniel Herz: Das Land Hessen fördert zum Beispiel Lastenfahrräder. Mehr Lastenräder oder einen Lastenfahrradverleih kann ich mir für Witzenhausen sehr gut vorstellen. Denn die Einkaufsmöglichkeiten liegen hier nicht weit entfernt.

ÖkoLeo: Können Sie uns Ihre Stadt kurz vorstellen?

Daniel Herz: Witzenhausen liegt umgeben vom Mittelgebirge in einem Tal im Norden von Hessen. Drumherum gibt es sehr viel Wald. Wir haben eines der größten Kirschenanbaugebiete hier in Deutschland. Unser Gebiet ist sehr groß, ähnlich groß wie das Stadtgebiet von Kassel – aber hier leben nur rund 15.000 Menschen, viel weniger als in Kassel mit 200.000 Menschen. Das liegt daran, dass zur Stadt Witzenhausen viele kleine Dörfer gehören.

ÖkoLeo: Was kann Witzenhausen zum Klimaschutz beitragen?

Daniel Herz: Wir können gute Bedingungen dafür schaffen. Zum Beispiel haben wir auf der Hauptverkehrsstraße durch die Stadt die Geschwindigkeit auf 30 km/h reduziert. Und wir wollen den Verkehr in der ganzen Innenstadt noch weiter bremsen, damit Autofahren dort weniger attraktiv wird. Weniger Autoverkehr führt dazu, dass der CO2-Ausstoß geringer wird, und das trägt zum Klimaschutz bei.

ÖkoLeo: Wenn es weniger attraktiv wird, mit dem Auto in die Stadt zu fahren, müssen sich die Menschen mit anderen Verkehrsmitteln fortbewegen. Wie sieht es mit öffentlichen Verkehrsmitteln und mit Fahrradfahren bei Ihnen aus?

Daniel Herz: Wir haben in der Kernstadt einen Stadtbus. Wir arbeiten nun daran, in den nächsten Jahren die anderen Ortsteile anzubinden. Dafür benötigen wir mehr öffentliche Verkehrsmittel. Das können wir aber als Gemeinde nicht direkt bestimmen, weil größere Verkehrsunternehmen Busse und Bahnen in der Region betreiben. Aber zu meinem Amt gehört, dass ich in den Aufsichtsräten der Unternehmen sitze. Dort versuche ich zu bewirken, dass mehr Busse fahren.

Und drei unserer Ortsteile haben auch noch keinen direkten Fahrradweg in Richtung Kernstadt, diese Anbindung mit dem Fahrrad möchten wir schaffen.

ÖkoLeo: Sie haben auch das Thema Anpassung erwähnt. Dabei geht es darum, sich auf die Folgen des Klimawandels einzustellen. Womit müssen Sie in Nordhessen rechnen?

Daniel Herz: Wir müssen uns mehr Gedanken über die große Trockenheit machen, aber auch über Starkregen. Ganz aktuell ist für uns die Trockenheit und damit der der Brandschutz. Gerade in den vergangenen Jahren war es extrem trocken. Wir hatten im Jahr 2018 sogar noch im November einen Waldbrand. Normalerweise regnet es im Herbst mehr, sodass so etwas nicht passiert.

Wir haben viel Wald und viele Berge, teilweise schlecht erreichbar für die großen Feuerwehrfahrzeuge. Unsere Feuerwehr hat darum Löschrucksäcke angeschafft, mit kleinen Spritzen, mit denen man kleine Brandherde bekämpfen kann.

Auch Starkregen wird es öfter geben. Wir müssen darum viele offene Abflüsse anpassen, die von den Bergen Richtung Stadt führen. Die wurden beim letzten Starkregen verstopft, dadurch sind mehrere Straßen überschwemmt worden. Eine der Hauptstraßen war ein einziger, reißender Fluss.

ÖkoLeo: Als Bürgermeister können sie nicht einfach bestimmen, was in der Stadt passiert. Wie gehen Sie damit um?

Daniel Herz: Ich sehe mich als Bindeglied zwischen der Stadtverwaltung, der Kommunalpolitik und den Bürgerinnen und Bürgern. Entscheidungen werden ja in der Stadtverordnetenversammlung getroffen [Anmerkung der Redaktion: Das ist das Parlament einer Stadt]. Ich bin als Bürgermeister auch dafür da, diese Entscheidungen nach außen zu vertreten. Und ich finde, man sollte als Bürgermeister mit gutem Beispiel vorangehen und vernünftige Vorschläge machen, damit die Stadtverordnetenversammlung ausgewogene Entscheidungen treffen kann.

ÖkoLeo: Sie haben gesagt, dass Sie die Entscheidungen der Stadt vertreten müssen. Wie gut kommt denn der Einsatz für Klimaschutz an?

Daniel Herz: Dass Witzenhausen Klimakommune wird, war ein Vorschlag von mir. Ich fand es sehr gut und wichtig, dass die Stadtverordnungsversammlung den Vorschlag angenommen hat. Einstimmig, und innerhalb von nur vier Tagen! Das zeigt, dass sich alle mit dem Thema beschäftigen und wissen, dass es wichtig ist.

Andererseits sind der Starkregen und die Überschwemmung jetzt schon wieder rum und andere Themen scheinen wichtiger. Dann wird auch manchmal gefragt, warum wir uns mit dem Klimawandel beschäftigen. Aber grundsätzlich herrscht eine positive Stimmung dazu, dass wir nun Klimakommune sind.

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