06. September 2021 Tiere

Interview: Warum brauchen wir Wildbienen?

Sie sind klein, fleißig und wichtig für die Artenvielfalt. Die Rede ist von Wildbienen. Stefan Tischendorf verrät uns, warum wir die Tiere brauchen.

Es gibt in Deutschland ungefähr 600 verschiedene Bienenarten. Die Honigbiene ist nur eine davon. Die übrigen nennt man Wildbienen. Stefan Tischendorf ist Biologe und beschäftigt sich seit dreißig Jahren mit Wildbienen und deren Verwandten. Er verrät uns, warum Wildbienen wichtig sind und wie wir sie schützen können.

ÖkoLeo: Wenn man Biene hört, denken die meisten Menschen an eine Honigbiene. Was ist der Unterschied zwischen Honigbiene und Wildbienen?

Stefan Tischendorf: Die Honigbienen sind Nutztiere, genauso wie Kühe und Schweine. Es gibt sie zwar manchmal auch verwildert. Aber in aller Regel sind es gezähmte und gezüchtete Tiere, die vom Menschen gefüttert und gepflegt werden. Daher sind sie nicht gefährdet.

Sie werden wirtschaftlich genutzt. Zum einen, um Honig zu produzieren, zum anderen, um den Ertrag von angebauten Pflanzen zu steigern. Sie werden dort eingesetzt, wo in kurzer Zeit sehr viele Pflanzen bestäubt werden sollen. Zum Beispiel im Rapsanbau oder auch bei der Obstblüte.

ÖkoLeo: Was ist besonders interessant an Wildbienen?

Stefan Tischendorf: Ich finde die Wildbienen besonders, weil sie in nahezu jedem Lebensraum vorkommen, von der Wüste bis zum Moor. Außerdem sind sie nicht immer sofort zu sehen. Es gibt zwar auch sehr auffällige Arten, wie die Hummeln, die auch zu den Wildbienen gehören. Aber viele Arten nimmt man häufig gar nicht war, obwohl sie direkt in der Umgebung sind. Eine weitere Besonderheit ist noch ihre Rolle bei der Bestäubung.

ÖkoLeo: Welche Rolle spielen Bienen bei der Bestäubung von Pflanzen?

Stefan Tischendorf: Die Wildbienen, aber auch die Honigbienen, fliegen von Blüte zu Blüte. Dort sammeln sie Pollen und saugen Nektar. Quasi nebenher tragen sie den Blütenpollen von einer Blüte zur anderen und befruchten so die Pflanzen.

Aber nicht nur die Wildbienen und die Honigbienen machen das so. Sehr viel andere Insekten tragen ebenso zur Bestäubung bei. Da gibt es zum Beispiel die Schwebfliegen. Auch sie fliegen von Blüte zu Blüte und bestäuben die Pflanzen. Das kann man auch sehr gut beobachten. Auch Wespen, Schmetterlinge und Käfer tragen durch ihren Blütenbesuch zur Bestäubung bei.

Die Mai-Langhornbiene an einer Zaun-Wicke.
Die Mai-Langhornbiene an einer Zaun-Wicke. (Bild: © Felix Fornoff)

 

ÖkoLeo: Häufig hört man in den Medien, dass es immer weniger Wildbienen gibt. Was sind die Gründe dafür?

Stefan Tischendorf: Das Vorkommen von Insekten oder in diesem Fall von Wildbienen ist eigentlich immer ein Spiegelbild unserer Landschaft. Wenn der Mensch in die Landschaft eingreift oder neue Landschaften schafft, verändert sich immer auch die Zusammenstellung der Arten, die dort leben.

Heutzutage werden viele landwirtschaftlichen Flächen intensiv genutzt. Der Boden wird stark gedüngt. Dadurch werden viele Pflanzen verdrängt und es gibt nur noch sehr wenige Wildblumen und Kräuter. Wildbienen und andere Insekten finden dann nicht mehr genügend Nahrung. Wenn die Pflanzen nicht mehr da sind, dann verschwinden auch die Bienen, die auf die Pflanze angewiesen sind.

ÖkoLeo: Gibt es etwas, das ich persönlich tun kann, um Wildbienen und andere Insekten zu schützen?

Stefan Tischendorf: Zum einen kann man die eigene Ernährung etwas anpassen und etwa Bio-Lebensmittel kaufen. Denn beim ökologischen Landbau wird weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel genutzt.

Aber auch zu Hause kann man etwas tun. Man kann mehrjährige, wildbienenfreundliche Pflanzen anpflanzen, zum Beispiel Wildkräuter wie Margerite oder Glockenblumen. Ein Stück des normalen Rasens kann durch einen blütenreichen Rasen ersetzt werden.

Man kann auch Nisthilfen bauen. Jedoch nisten die gefährdeten Arten in der Regel nicht in den bekannten Insektenhotels. Sie nisten eher in mageren Wiesen sowie anderen gehölzfreien Lebensräumen. Vor allem nisten sie in nicht bepflanzten Böden. Daher ist ein vielfältiger Garten mit ein bisschen Unordnung und Chaos besonders gut für die Artenvielfalt.

ÖkoLeo: Kommen wir zur letzten Frage: Was würden Sie jemandem sagen, der Angst davor hat, von einer Wildbiene gestochen zu werden?

Stefan Tischendorf: Bei vielen Wildbienen ist der Stachel zu schwach oder zu klein, um überhaupt durch unsere Haut zu kommen. Und wenn doch, dann ist das ein kleiner Pieks, den man nach wenigen Minuten schon gar nicht mehr merkt. Es fühlt sich in etwa so an wie bei einer Brennnessel.

Der Stich einer Honigbiene ist intensiver und unangenehmer, weil der Stachel hängenbleibt. Aber Bienen stechen eigentlich nur, wenn sie sich bedroht fühlen. Allerdings sollte man aufpassen, wenn man allergisch auf Insektenstiche reagiert.

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