01. September 2020 Landwirtschaft & Garten

Der Arten-Schatz auf der Obstwiese

Obstwiesen und Apfelbäume sind typisch für Hessen. Sie liefern aber nicht nur Früchte, sondern sie sind wichtig für den Naturschutz: Sie bieten Lebensraum für tausende Tier- und Pflanzenarten!

Es gibt sie noch an vielen Orten in Hessen. Doch man kann sie leicht übersehen, vor allem, wenn man mit dem Auto unterwegs ist. Es geht um Obstbäume wie Apfelbäume, Birnen-, Kirsch- und Zwetschgenbäume. Vor allem am Rand von Dörfern kann man fast überall in Hessen Wiesen finden, auf denen verstreute Obstbäume wachsen. Daher kommt vermutlich auch ihr Name : „Streuobstwiesen“ nennt man sie.

Wenn man zu Fuß geht, fallen die Obstwiesen viel eher auf. Vor allem ab dem Spätsommer, wenn die Bäume Früchte tragen. Dann sieht man auch, dass viele davon nicht abgeerntet werden. Oft bleiben Früchte hängen bis sie herunterfallen und verfaulen.

Mühsame Ernte auf einer Streuobstwiese
Mühsame Ernte auf einer Streuobstwiese (Bild: © NABU / Bernd Schaller)

Wer schon mal an so einer Wiese vorbeispaziert ist und einen Apfel probiert hat, könnte denken: kein Wunder, dass hier niemand erntet. Viele Äpfel schmecken säuerlich. Neben Obst aus dem Supermarkt sind sie klein und unscheinbar.

Doch die hessischen Streuobstwiesen sind ein wahrer Schatz! Auch, wenn mancher Apfel sauer schmecken mag, ist das Obst für leckere Spezialitäten gut. Zum Beispiel für Apfelsaft. Und vor allem können hier tausende verschiedene Tier- und Pflanzenarten leben. Damit gehören sie zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas !

Warum sind Streuobstwiesen wertvoll?

Fachleute schätzen, dass sich bis zu 5.000 Tier- und Pflanzenarten auf Streuobstwiesen finden. Der größte Teil sind Insekten wie Wildbienen, Schmetterlinge, Wespen und Käfer. Aber auch viele Vögel leben dort. Dazu gehört der Steinkauz, eine kleine Eulenart. Außerdem leben hier Fledermäuse sowie der Gartenschläfer, ein Nagetier.

Dass Streuobstwiesen so viele Pflanzen und Tiere beherbergen kommt daher, dass sowohl die Bäume als auch die Wiesen Nahrung und Lebensraum für verschiedenste Arten bieten. Und sie werden naturverträglich bewirtschaftet.

Im Vergleich mit Obstplantagen kommen sie mit wenig Nachhilfe durch die Menschen aus. Hier werden in der Regel kaum Pflanzenschutzmittel und chemischer Dünger verwendet. Denn Streuobstwiesen gibt es schon seit vielen Jahrhunderten. Dort werden Arten angebaut, die an diesem Standort gut gedeihen.

Ökosystem Streuobstwiese

Ein Steinkauz auf einem Ast
Der Steinkauz findet auf Obstwiesen Nahrung und Unterschlupf. (Bild: Edd deane / commons.wikimedia.org / CC BY 2.0)

Die Wiese und die Bäume einer Streuobstwiese bilden zusammen ein Ökosystem. Das ist ein Lebensraum, in dem Tier- und Pflanzenarten miteinander verbunden sind.

Viele Bäume bleiben hier lange stehen. Daher finden sich auf der Obstwiese viel totes Holz und Höhlen, sodass Vögel und Fledermäuse Unterschlupf finden.

Außerdem werden die Wiesen nur ein bis drei Mal pro Jahr gemäht. Darum wächst hier eine Mischung aus vielen verschiedenen Kräutern und Gräsern. Keine Pflanzenart nimmt überhand. Auf manchen Obstwiesen weiden auch Schafe zwischen den Bäumen und übernehmen das "Mähen". So werden auch Vogelarten nicht gestört, die ihr Nest am Boden bauen.

Die Blüten der Bäume und der Wiesenpflanzen sowie das Obst dienen Insekten als Nahrung. Vögel und Fledermäuse wiederum ernähren sich von Insekten. Diese Tiere finden auf der Wiese gleichzeitig auch Unterschlupf. Vor allem in den Kronen der Bäume, in Baumhöhlen oder in Sträuchern. Außer Vögeln finden sich auf Obstwiesen auch kleine Säugetiere wie Igel.

Seltene Sorten

Was ist ein Spitzrabau?

Auf Obstwiesen gibt es viel zu entdecken.

Zu den Besonderheiten von Streuobstwiesen gehört, dass sich hier seltene Obstsorten finden. Manche kommen nur in einer bestimmten Region vor. Es gibt Äpfel, die früh reifen, und Äpfel, die erst spät im Herbst geerntet werden. Es gibt Sorten, die man besonders lange lagern kann und Sorten, die vor allem für Apfelsaft geeignet sind.

Diese Vielfalt ist auch für Umwelt- und Naturschutz wertvoll. Denn manche Sorten kommen mit einem speziellen Klima zurecht oder sind widerstandsfähig gegen bestimmte Krankheiten und Schädlinge. Dadurch sind weniger Pflanzenschutzmittel nötig. Die Vielfalt der Sorten ist wichtig, um in Zukunft neue Obstsorten zu züchten.

Warum sind die Streuobstwiesen bedroht?

Äpfel an einem Apfelbaum
Nicht so schön wie ein Apfel aus dem Supermarkt – aber vielleicht besonders lecker als Apfelsaft? (Bild: sebastiankauer / flickr.com / CC BY-SA 2.0)

Leider werden Streuobstwiesen seltener. Vermutlich um das Jahr 1950 herum war der Höhepunkt. Doch dann verschwanden innerhalb von wenigen Jahrzehnten die meisten dieser Wiesen in Hessen.

Ein Grund dafür ist, dass sie nicht mehr so wichtig sind wie früher. Deutschland wurde immer wohlhabender. Die Menschen bauten immer weniger Obst für sich selbst an. Stattdessen wurde Obst immer häufiger auf Plantagen angebaut, wo Bäume einer Sorte dicht an dicht stehen.

Zum Teil ging die Vielfalt der Streuobstwiesen im Laufe der Zeit verloren, weil sie nicht mehr gepflegt wurden. Obstbäume müssen beschnitten werden. Und die Wiesen müssen regelmäßig gemäht werden, oder es müssen Tiere darauf weiden, damit eine ausgewogene Mischung aus Gräsern und Kräutern dort wächst. Ohne diese Pflege überwuchern die Wiesen und verlieren an Vielfalt. Teilweise wurden die Flächen auch bebaut.

Hilfe für die Streuobstwiesen

Obst erleben

Zur Erntezeit gibt es viele Aktionen rund um’s Obst und Streuobstwiesen. Schau in die Veranstaltungstipps in deiner Region!

Heute gibt es viele Bemühungen, die Streuobstwiesen zu schützen. Das Land Hessen zum Beispiel unterstützt Menschen, die auf naturverträgliche Weise Streuobstwiesen pflegen, mit Geld.  Auch viele Städte, Gemeinden und Landkreise setzen sich für Streuobstwiesen ein. Die Stadt Frankfurt zum Beispiel zahlt Zuschüsse für den Baumschnitt und das Nachpflanzen von Bäumen. Auch hier gehört es zu den Bedingungen, auf den Naturschutz zu achten. Die Wiesen dürfen unter anderem nur selten gemäht werden.

Auch im eigenen Garten oder beim Einkauf kann man helfen, Streuobstwiesen zu erhalten. Wer zum Beispiel alte Obstbäume im Garten hat, sollte sie möglichst pflegen. Auch das kann helfen, die Vielfalt der Obstsorten zu bewahren.

Beim Einkauf kann man nach einheimischem Obst oder Saft fragen. Das hilft den Obstbaubetrieben, regionale Sorten zu erhalten. Oft findet man diese auch auf dem Wochenmarkt.

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