01. März 2015 Tiere, Landschaften & Ökosysteme

Wie sich Wildkatzen den Wald zurückerobern

Nun leben sie auch im Wetteraukreis: Die Wildkatzen breiten sich in Hessen wieder etwas aus. Warum sie so selten geworden sind und wie man die Tiere schützen kann, berichtet Susanne Schneider. Sie arbeitet bei der Naturschutzorganisation BUND Hessen. Seit 2013 kümmert sie sich um das Projekt „Wildkatzensprung“ in Hessen. Dabei wird deutschlandweit versucht, getrennte Waldgebiete wieder miteinander zu verbinden.

ÖkoLeo: Sie haben im Januar 2015 bekanntgegeben, dass Wildkatzen wieder durch den östlichen Wetteraukreis streifen. Was ist das besondere an dieser Entdeckung?

Susanne Schneider: Wir konnten das Vorkommen der Wildkatzen endlich nachweisen. Die Wildkatze ist aus vielen Waldgebieten verdrängt worden, durch Abholzung und durch die Jagd. Bisher konnten wir nur mutmaßen, ob sie sich bestimmte Gebiete wieder „zurückerobert“ hat. Die Wildkatze ist einfach zu gut getarnt: Sie schläft tagsüber, jagt nachts und ist sehr, sehr menschenscheu. Und wenn man sie ausnahmsweise kurz zu Gesicht bekommt, ist es schwer, sie sicher von einer getigerten Hauskatze zu unterscheiden.

Wildkatze mit Nachkommen
Wildkatzen sehen grau getigerten Hauskatzen sehr ähnlich. (Bild: T. Stephan/BUND Wildkatzensprung)

ÖkoLeo: Worin unterscheiden sich denn Wildkatzen von Hauskatzen?

Susanne Schneider: Der Schwanz der Wildkatze ist buschiger, stumpfer, etwas kürzer und hat ein schwarzes Ende. Ihr Muster insgesamt sieht „verwaschener“ aus als das einer getigerten Hauskatze. Außerdem hat sie einen dünnen Strich auf dem Rücken, den sogenannten Aalstrich.

ÖkoLeo: Was mache ich, wenn ich einer Wildkatze begegne?

Susanne Schneider: Wer zum Beispiel Jungtiere oder eine tote Katze im Wald findet, sollte die Tiere auf keinen Fall mitnehmen. Am besten meldet man die Entdeckung dem zuständigen Forstamt oder dem BUND. Das hilft uns dabei, herauszufinden, wo genau die Tiere vorkommen. Dann können wir unsere Schutzprojekte besser planen.

ÖkoLeo: Was braucht die Wildkatze zum Leben?

Susanne Schneider: Ihr Hauptlebensraum sind Mischwälder, die gut strukturiert sind. Das bedeutet, dass es nicht nur einen Baum neben dem anderen gibt, sondern verschiedene Baumarten sowie Sträucher, Hecken und Krautschichten. Dort kann sich die Wildkatze verstecken und ihre Jungen sicher aufziehen.

Die Waldgebiete in Hessen eignen sich relativ gut für die Wildkatze. Sie sind groß und haben verschiedene Arten von Laubbäumen und Sträuchern. In einem reinen Fichtenwald wie dem Schwarzwald würde sich die Wildkatze nicht wohlfühlen.

ÖkoLeo: Wie ist es gekommen, dass sie heute auf der Roten Liste der stark gefährdeten Tierarten steht?

Susanne Schneider: Vor dem Mittelalter war die Wildkatze in ganz Mitteleuropa vorhanden. Als die Menschen anfingen, immer größere Städte zu bauen und mehr Flächen für den Ackerbau zu nutzen, haben sie große Waldflächen gerodet. So haben sie der Katze nach und nach ihren natürlichen Lebensraum genommen. Später begannen Jäger, massiv Jagd auf die Wildkatze zu machen.

ÖkoLeo: Warum haben Jäger damals Wildkatzen gejagt?

Susanne Schneider: Wildkatzen sind Fleischfresser, daher fürchteten die Jäger um das Wild in den Wäldern und sahen sie als Konkurrenz an. Obwohl die Wildkatze nicht groß ist, wurde erzählt, dass sie sogar Rehkitze jagt und gefährlich ist. Das stimmt nicht. Aus heutiger Sicht ist es nur schwer nachzuvollziehen, warum die Wildkatze damals als Bedrohung angesehen wurde.

ÖkoLeo: Welche menschengemachten Gefahren bestehen auch heute noch für die Tiere? Susanne Schneider: Mit dem Bau von Straßen oder Ackerflächen zerschneidet der Mensch Waldgebiete. Die Tiere können Felder oder Straßen nicht gefahrlos überqueren. In einem abgeschnittenen, kleineren Waldgebiet ist es viel schwieriger, Nahrung und Artgenossen zur Paarung zu finden. Und es ist schwer für sie, neue Lebensräume zu erschließen.

Grünbrücke
Straßen und Felder zerschneiden die Lebensräume der Wildkatzen. Grünbrücken verbinden die Waldstücke, sodass sich die Tiere wieder ausbreiten können. (Bild: T. Stephan/BUND Wildkatzensprung)

ÖkoLeo: Was wird heute zum Schutz der Wildkatze getan?

Susanne Schneider: Umweltschutzorganisationen wie der BUND und Regierungseinrichtungen wie zum Beispiel Umweltministerien kümmern sich darum, dass Waldgebiete wieder vernetzt werden. Zum Beispiel werden „Grünbrücken“ geplant und gebaut. Sie bringen die Tiere sicher über Autobahnen von einem Waldgebiet zum anderen.

Lebensraum Wildkatzen
Die Wälder in Hessen bieten recht gute Lebensräume für die Wildkatzen. Hier lebt ein großer Teil der Tiere, die es in Deutschland gibt. (Bild: BUND)

Doch Waldgebiete sind auch durch Felder und Privatgrundstücke getrennt. Im Rahmen des sogenannten „Rettungsnetz Wildkatze“ will der BUND „grüne Korridore“ anlegen. In Hessen soll zum Beispiel das Rothaargebirge mit dem Kellerwald verbunden werden. Das heißt, dass wir die Landschaft zwischen zwei Waldgebieten so verändern wollen, dass sich die Wildkatze und andere Waldbewohner wieder trauen, dort entlangzuwandern. Wir pflanzen dort Bäume und Sträucher. Dabei helfen viele Freiwillige. Ohne sie wäre so ein Schutzprojekt gar nicht möglich. Damit wir überhaupt auf einem Stück Land pflanzen dürfen, müssen wir mit vielen Grundstückseigentümern verhandeln.

Susanne Schneider
Susanne Schneider arbeitet bei der Naturschutzorganisation BUND. Sie kümmert sie sich um das Projekt "Wildkatzensprung" in Hessen. (Bild: Markus Schäfer)

ÖkoLeo: Also geht es der Wildkatze heute etwas besser?

Susanne Schneider: Dass wir sie im Wetteraukreis nachweisen konnten, zeigt, dass Maßnahmen zum Artenschutz etwas bewirkt haben.

Es lässt darauf schließen, dass die Veränderungen in den Wäldern auch anderen Waldbewohnern nützen. Denn die Wildkatze gilt als sehr anspruchsvolles Tier, was ihren Lebensraum betrifft. Wir sagen: Wenn es der Wildkatze gut geht, geht es auch den anderen Tieren gut, wie zum Beispiel dem Hirsch, dem Dachs oder der Haselmaus.

ÖkoLeo: Wo kann ich Wildkatzen sehen und noch mehr über sie erfahren?

Susanne Schneider: Zum Beispiel im Opel-Zoo in Kronberg, in der Fasanerie in Wiesbaden, im Wildpark „Alte Fasanerie“ in Hanau, im Wildpark Tiergarten Weilburg und im Tierpark Knüll in Homberg (Efze).