20. März 2018 Einkaufen & Leben

Interview: Was haben Jeans und T-Shirts mit Fairness zu tun?

Viele Kleidungsstücke, die man in Modeläden kaufen kann, werden unter schlimmen Bedingungen hergestellt. Marie-Luise Lämmle vom Verein FEMNET e.V. erklärt, wie das kommt – und was wir dagegen tun können. FEMNET setzt sich für die Rechte von Frauen in der Bekleidungsindustrie ein.

ÖkoLeo: Immer wieder hört man, dass es Probleme gibt bei der Herstellung von Kleidung. Es gab sogar schon Demonstrationen vor Modegeschäften. Worum geht es dabei?

Marie-Luise Lämmle: Die Arbeitsbedingungen für die Menschen, welche die Kleidung herstellen, sind sehr schlecht. Viele Modefirmen wollen nicht, dass das bekannt wird. Bei solchen Demonstrationen werden faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen gefordert. Und die Modefirmen sollen Verantwortung dafür übernehmen, was in den Textilfabriken passiert.

Es gab auch Demonstrationen, bei denen Entschädigungen gefordert wurden für Arbeiterinnen und Arbeiter aus Textilfabriken. Denn es kommt immer wieder vor, dass dort Menschen verletzt werden, zum Beispiel bei Bränden oder wenn Gebäude einstürzen. Dabei sind schon viele Menschen ums Leben gekommen.

ÖkoLeo: Brände in Fabriken, eingestürzte Gebäude – das klingt krass. Woher kommt denn die Kleidung, die bei uns verkauft wird?

Marie-Luise Lämmle: Das kann sehr unterschiedlich sein. Klar ist aber, dass 99 % der Kleidung nicht mehr in Deutschland produziert wird. Sie wird vor allem in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern hergestellt. Zum Beispiel in Indien, Bangladesch, Pakistan, China, Vietnam, Kambodscha oder Myanmar. Immer mehr wird aber auch in afrikanischen Ländern wie Äthiopien produziert. Es gibt aber auch einige Fabriken in Süd- und Osteuropa.

ÖkoLeo: Und in diesen Ländern sind die Arbeitsbedingungen so schlecht, dass Menschen in Gefahr sind?

Marie-Luise Lämmle: In den meisten dieser Länder wird der Schutz von Arbeiterinnen und Arbeitern nicht kontrolliert oder eingehalten. Dies betrifft auch den Umweltschutz. Das ist auch der Grund, warum Kleidung dort hergestellt wird. Denn das ist billiger, wenn die Firmen weniger für Löhne und den Schutz der Arbeiterinnen und Arbeiter ausgeben müssen.

Alle Arbeitsschritte finden dort statt, wo sie am wenigsten Kosten. Bis eine Jeans hier in Deutschland gekauft wird, reist sie eineinhalbmal um die Welt.

ÖkoLeo: Was gehört denn zu dieser Reise alles dazu? Denn aus Indien oder Bangladesch nach Deutschland ist es ja gar nicht so weit.

Marie-Luise Lämmle: Wir rechnen alle Arbeitsschritte ein. Die beginnen beim Anbau der Rohstoffe. Ein T-Shirt oder eine Jeans bestehen zum großen Teil aus Baumwolle. Die wächst meist in afrikanischen und asiatischen Länder. Dann muss aus der Baumwolle Garn gesponnen werden. Dafür wird zum Beispiel Baumwolle aus dem afrikanischen Land Burkina Faso nach Indien gebracht.

Aus dem Garn wird anschließend ein Stoff gewebt – häufig passiert auch das in einem anderen Land. Eben dort, wo die Firmen am wenigsten Geld für das Weben ausgeben müssen. Nach dem Weben wird der Stoff dann gefärbt. Dann wird der Stoff zu Kleidungsstücken zusammengenäht. Das nennt man Konfektion. Mode, die wir in Deutschland kaufen können, wird zum großen Teil in Bangladesch, China und der Türkei zusammengenäht. Von dort wird eine fertige Jeans dann mit dem Flugzeug oder dem Schiff nach Deutschland gebracht.

ÖkoLeo: Und wo auf diesem Weg ist es zu Unglücken wie Bränden und Einstürzen gekommen?

Marie-Luise Lämmle: Im Jahr 2014 gab es zum Beispiel ein sehr großes Unglück in Dakha, der Hauptstadt von Bangladesch. Dort ist ein Fabrikgebäude namens Rana Plaza eingestürzt. Es gab über 1.100 Tote und ungefähr doppelt so viele Verletzte. Über so ein großes Unglück wird auch in Deutschland berichtet. Das meiste bekommen wir aber gar nicht mit. Wir wissen durch unsere Arbeit als Verein, dass es täglich zu Unfällen kommt.

ÖkoLeo: Es kann also lebensgefährlich sein, in so einer Fabrik zu arbeiten. Wie sieht denn der ganz normale Arbeitsalltag aus?

Marie-Luise Lämmle: Man muss sagen: Damit wir hier in Deutschland billige Kleidung kaufen können, müssen die Arbeiterinnen und Arbeiter auf jeden Fall unter sehr schweren Bedingungen arbeiten. Die Arbeitszeiten sind sehr lang, 12 bis 14 Stunden am Tag, und das an sechs oder sieben Tagen pro Woche. Der Lohn dafür reicht nicht einmal aus, um genug Essen zu kaufen. Er reicht auch nicht, um zum Arzt zu gehen oder eine angemessene Wohnung zu bezahlen.

Es kommt auch vor, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter einsperrt werden, weil die Fabrik einen großen Auftrag bekommen hat, der unbedingt erledigt werden muss.

Die Arbeitsbedingungen sind außerdem gesundheitsschädlich, weil in den Fabriken auch giftige Chemikalien benutzt werden. Zum Beispiel zum Färben. Einen Schutz für die Arbeiterinnen und Arbeiter gibt es oft nicht. Es gibt zum Beispiel viele Bilder von jungen Arbeiterinnen und Arbeitern, die barfuß in giftigen Chemikalien stehen.

Ich habe selbst schon Fabriken besucht, daher weiß ich, dass es dort auch unglaublich laut ist, wegen der vielen Maschinen. Es gibt aber keinen Gehörschutz.

Das ist nicht immer und überall so, aber es ist üblich.

ÖkoLeo: Wenn ich im Laden ein T-Shirt kaufe, kann es also sein, dass es unter solchen schlimmen Umständen hergestellt wurde?

Marie-Luise Lämmle: Genau. Manchmal sogar Kleidungsstücke, die sehr teuer sind. Billige und teure Kleidung kommt sehr oft aus den gleichen Fabriken. Die Arbeiterinnen und Arbeiter bekommen dafür den gleichen Lohn.

ÖkoLeo: Was kann man dagegen tun?

Marie-Luise Lämmle: Die Modefirmen wollen nicht, dass so etwas herauskommt. Das wäre schlecht für ihr Image, sie würden weniger verkaufen können. Darum fordern wir als Verein, dass die Modefirmen klarstellen müssen, woher ihre Kleidung kommt. Denn dann müssten sie für bessere Arbeitsbedingungen in den Fabriken sorgen. Wir sind dafür, dass Gesetze erlassen werden, um die Firmen dazu zu verpflichten.

Außerdem möchten wir darüber aufklären. Denn zum Beispiel haben ja die Käuferinnen und Käufer großen Einfluss. Wir könnten den Firmen zeigen: Wir wollen eure Kleidung kaufen, aber wir wollen, dass sie unter fairen Bedingungen hergestellt wird. Man kann zum Beispiel öffentliche Aufrufe an die Firmen unterstützen, in denen oft tausende Menschen dies fordern. Man kann auch in Geschäfte gehen und dort deutlich machen: Ich will, dass ich meine Kleidung mit gutem Gewissen tragen kann. 

Wegweiser durch den Siegel-Dschungel

Leider sind nicht alle Siegel und Labels, die eine faire Produktion versprechen, glaubwürdig. Hier findet ihr eine Übersicht der wichtigsten Initiativen!

ÖkoLeo: Es gibt ja auch Unternehmen, die sich darum bemühen, „ökofaire Mode“ anzubieten. Also Kleidung, bei deren Herstellung auf Umweltschutz und gute Arbeitsbedingungen geachtet wird. Wie machen diese Unternehmen das?

Marie-Luise Lämmle: Es gibt mittlerweile einige Unternehmen, die auf faire Arbeitsbedingungen und Umweltschutz achten. Oft erkennt man dies an sogenannten Siegeln oder Labels, die in die Kleidungsstücke eingenäht sind. Oder daran, dass die Modefirma Mitglied in einer bestimmten Initiative ist. Es gibt Siegel, Labels oder Initiativen, die zum Beispiel garantieren, dass Biobaumwolle verwendet wird. Oder dass sich das Unternehmen für faire Arbeitsbedingungen einsetzt. Man muss aber genau darauf achten, ob ein Siegel das, was es verspricht auch wirklich einhält.

ÖkoLeo: Wenn ich ab jetzt nur noch faire Mode kaufen will: Wie fange ich am besten an?

Marie-Luise Lämmle: Es gibt in sehr vielen Städten Geschäfte, die ökofaire Mode anbieten. Die findet man zum Beispiel im Internet. Es gibt auch Einkaufsführer für viele Städte. Und es gibt Einkaufsführer, die ökofaire Modemarken vorstellen.

Ein weiterer Schritt wäre, sich die wichtigsten Siegel zu merken und dann die Augen offen halten beim Einkauf. Denn zwischen dem normalen Angebot der Läden und der Modemarken gibt es oft einzelne Linien, die ökofair sind.

ÖkoLeo: Klingt auf jeden Fall, als sei das machbar!

Marie-Luise Lämmle: Es ist auf jeden Fall machbar. Es macht auch Spaß, wenn man lernt, genauer hinzugucken. Und wenn man Kleidung besitzt, für die man sich ganz bewusst entschieden hat.

Es ist auch gut, sich zu fragen: Wieviel Kleidung brauche ich denn wirklich? Das dritte T-Shirt in einer ähnlichen Farbe ist eigentlich gar nicht nötig. Dann kommt man weniger in die Situation, sich Kleidung aus möglicherweise unfairer Herstellung zu kaufen. Und man schont die Umwelt. Auch Secondhand-Kleidung ist eine Möglichkeit. Die bekommt man zum Beispiel auch bei Kleidertauschpartys.

 

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