08. März 2019 Abfall & Recycling, Einkaufen & Leben

Interview: Wie erfindet man umweltfreundliche Verpackungen?

Plastikfolien, Plastikbecher und Schachteln aus Karton – wir produzieren bergeweise Verpackungsmüll. Dabei werden wertvolle Rohstoffe verbraucht. Geht das nicht besser? Der Verpackungsexperte Sven Sängerlaub erklärt, worauf es ankommt.

ÖkoLeo: Herr Sängerlaub, nach einem Einkauf bleibt manchmal ein ganzer Berg Verpackungen zurück, darunter viel Plastik. Muss das sein?

Sven Sängerlaub: Verpackungen haben mehrere Funktionen. Erstens braucht man sie, um ein Produkt vor Beschädigungen zu schützen. Oder Lebensmittel frisch zu halten. Der zweite wichtige Punkt ist, dass eine Verpackung kommuniziert. Sie ist so bunt bedruckt, weil sie uns bewegen soll, etwas zu kaufen. Man sagt ja: Das Auge isst mit. Das Auge kauft auch mit. Der dritte Punkt ist: Produkte werden heute meist nicht da hergestellt, wo sie verkauft und verbraucht werden. Sie müssen also transportfähig gemacht werden. Auch dazu dient eine Verpackung.

Was ist eine "umweltfreundliche" Verpackung?

Sven Sängerlaub

Der Verpackungsexperte arbeitet am Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung. 

ÖkoLeo: Offenbar sind verschiedene Verpackungen mehr oder weniger gut für die Umwelt. Manche bezeichnet man als: „umweltfreundliche Verpackung“. Andere dagegen nicht.

Sven Sängerlaub: Was das bedeutet, hängt vom Hersteller ab. Es gibt kein genaues Verständnis, was eine „umweltfreundliche“ Verpackung ist. Es kann zum Beispiel bedeuten, dass sie aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Papier oder Pappe zum Beispiel sind aus Holz, das ist ein nachwachsender Rohstoff.

Plastik dagegen wird meist aus Erdöl hergestellt, das ist kein nachwachsender Rohstoff. Andere verstehen darunter, dass für die Verpackung so wenig wie möglich Material verbraucht wird, dass sie zum Beispiel besonders dünn ist. 

ÖkoLeo: Das heißt, dass eine Firma einfach eine Verpackung als umweltfreundlich bezeichnen kann?

Sven Sängerlaub: Richtig. Als Kunde weiß ich oft nicht genau, was der Hersteller damit meint und wie er das begründet. Aber zumindest beschäftigen sich die Firmen ernsthaft mit dem Thema Umweltfreundlichkeit. Das ist gut.

ÖkoLeo: Und wie sehen Sie das als Experte?  

Sven Sängerlaub: Auch die Fachwelt hat da nicht immer eine eindeutige Meinung.Als umweltfreundlich gilt in der Regel eine Verpackung, die so wenig Ressourcen wie möglich verbraucht. Zum Beispiel Rohstoffe und Energie für die Herstellung. 

Dazu gehört aber auch, dass sie hilft, Ressourcen einzusparen. Eine Verpackung schützt zum Beispiel Lebensmittel wie Fleisch davor, zu verderben. In dem Fall gehen ja auch die Ressourcen verloren, die für die Herstellung benötigt wurden. Wie das Futter für die Tiere, das Wasser, und die Fläche, auf der das Futter angebaut wurde. Man nennt das auch den „ökologischen Rucksack“ eines Produktes. 

Manche Firmen bezeichnen Verpackungen als umweltfreundlich, die nur aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden.

ÖkoLeo: Also: Wenn eine Verpackung zwar umweltfreundlich ist, aber ihren Zweck nicht erfüllt, dann ist das auch nicht gut für die Umwelt?   

Sven Sängerlaub: Genau! Im Produkt stecken viel mehr Ressourcen drin als in der Verpackung. Zu wenig Verpackung ist eben auch schlecht für die Umwelt

Sind nachwachsende Rohstoffe besser für die Umwelt?

ÖkoLeo: Sie haben nachwachsende Rohstoffe erwähnt, das klingt gut. Sind denn Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen umweltfreundlicher?  

Sven Sängerlaub: Das kommt darauf an. Auch für nachwachsende Rohstoffe werden Ressourcen benötigt. Beim Holz zum Beispiel wird viel Energie gebraucht, um es zu Papier zu verarbeiten.

Bei nachwachsenden Rohstoffen ist der Ressourcenverbrauch oft geringer, aber nicht immer. 

Wir benutzen in Forschungsprojekten schon Reste aus der Lebensmittelproduktion für Verpackungsmaterial. Bei der Herstellung von Kartoffelchips zum Beispiel bleiben Reststoffe der Kartoffeln in dem Wasser, mit dem sie gewaschen werden. Daraus kann man sogenannte Barriereschichten machen. Das sind Schutzschichten, die eine Verpackung abdichten.

Die Stoffe für solche Schichten kann man auch aus Resten der Käseherstellung gewinnen. Normalerweise sind die Barriereschichten aus Kunststoffen, die aus Erdöl gewonnen werden.

Was man dazu noch wissen muss: Erdöl und Erdgas sind irgendwann verbraucht. Wir müssen uns also jetzt schon ernsthaft Gedanken machen, wie Kunststoffe in Zukunft in noch größeren Mengen aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden können.

Was bringt das Recycling?

Plastikmüll belastet die Umwelt

Plastik ist meist sehr langlebig. Wenn es in die Umwelt gelangt, kann es mehrere hundert Jahre dauern, bis es zersetzt wird. Bisher wird nur ein Teil der Plastikabfälle recycelt.

ÖkoLeo: Wie sieht es mit Recycling aus?

Sven Sängerlaub: Das ist im Moment ein Riesenthema, denn seit dem 1.1.2019 ist ein neues Verpackungsgesetz in Kraft. Es muss mehr recycelt werden. Auch die Firmen sollen mehr dafür tun. Sie arbeiten zum Beispiel daran, verschiedene Sorten von Materialien besser zu trennen.

Das ist wichtig, um daraus wieder gute Rohstoffe gewinnen zu können, aus denen neue Verpackungen oder neue Produkte hergestellt werden können, zum Beispiel Flaschen für Waschmittel, Eimer oder Ähnliches. 

Allerdings darf Kunststoff aus dem gelben Sack nicht wieder zu Lebensmittelverpackungen verarbeitet werden. Das ist nicht erlaubt. Eine Ausnahme sind PET-Pfandflaschen. Denn da kann man gut kontrollieren, dass sie sauber sind. PET-Flaschen können vollständig recycelt werden, das ist ein richtiger Kreislauf. Auch für Reinigungsmittel setzen manche Firmen recycelte Kunststoffe ein. 

Was beim Recycling eine wirkliche Herausforderung darstellt sind Materialmischungen. Zum Beispiel Verpackungen aus verschiedenen Kunststoffen, die verschiedene Eigenschaften haben. Einer ist zum Beispiel fest, und ein anderer lässt keinen Sauerstoff durch. Die Kunststoffe lassen sich oft kaum wieder trennen. Aber auch daran wird geforscht. Ein anderes Thema sind Verpackungen die von vornherein besser recycelbar sind. Daran forschen wir auch.

Die Verbraucherinnen und Verbraucher können das Recycling unterstützen, indem sie die einzelnen Bestandteile soweit wie möglich trennen und in den gelben Sack geben. Das wird aber nicht immer gemacht. Ein Beispiel sind Joghurtbecher. Da muss der Aluminiumdeckel abgetrennt werden. Und das Papier. 

Aufwändige Verpackung soll zum Kaufen anregen

ÖkoLeo: Ein anderes Thema sind besonders aufwändige Verpackungen. Wenn ich Einkäufe auspacke, denke ich manchmal: Da ist aber viel Drumherum. Wie sehen Sie das? 

Sven Sängerlaub: Es gibt bestimmte Fälle, in denen die Verpackung besonders hübsch aussehen soll, damit das Produkt gekauft wird. Zum Beispiel bei Kosmetikverpackungen. Die sollen zeigen, dass das Produkt hochwertig ist.

Aber bei vielen Produkten ist es eher so, dass die Hersteller versuchen, möglichst wenig Verpackungsmaterial einzusetzen. Denn das kostet Geld. Man kann also nicht sagen, dass Verpackungen generell zu aufwändig sind. Das kommt auf die Produkte an. 

ÖkoLeo: Das heißt, wenn eine Verpackung sehr aufwändig wirkt, dann hat das einen Grund?

Sven Sängerlaub: Ja. Das kann am Marketing liegen wie bei Kosmetik oder Parfüm. Es gibt auch andere Fälle, bei denen eine übermäßige Verpackung vorkommt. Zum Beispiel beim Onlinehandel, wenn das Produkt besonders geschützt werden soll. Der Versand ist übrigens einer der Gründe für steigenden Verpackungsverbrauch.

Wie kann man sich für weniger Verpackung einsetzen?

ÖkoLeo: Was kann ich selbst tun, wenn ich möchte, dass unnötige Verpackung vermieden wird?

Sven Sängerlaub: Wir als Kunden können die Firmen darauf hinweisen, dass wir weniger oder umweltfreundliche Verpackungen wünschen. Die achten tatsächlich darauf. Denn der Handel möchte Produkte verkaufen, darum richtet er sich nach den Interessen der Kundinnen und Kunden. Was nicht gekauft wird, wird auch nicht mehr angeboten. 

Man kann sich auch beim Einkauf bewusst für Produkte mit bestimmten und weniger Verpackungen entscheiden. Oder unverpackte Produkte kaufen, wie unverpacktes Obst. 

Bio-Kunststoffe aus Resten und Bakterien

ÖkoLeo: Welche Ideen für umweltfreundliche Verpackungen finden Sie besonders gut? 

Sven Sängerlaub: Es werden viele gute Ideen entwickelt. Ich finde, dass das Recycling von PET-Flaschen ein schönes Beispiel ist. Da kann man fast einen geschlossenen Kreislauf schaffen. Ein anderes Beispiel aus dem Alltag ist die Chipstüte. Die finde ich interessant, weil die Aluminiumschicht darin sehr, sehr dünn ist. Trotzdem schützt sie den Inhalt sehr gut vor Licht und Sauerstoff. Sie lässt sich aber noch nicht sogut recyceln. 

Und die Nutzung von Reststoffen ist eine gute Idee. Wie schon gesagt, zum Beispiel aus Kartoffelresten. Es könnte sogar Kunststoff aus Bakterien gewonnen werden. Aber daran muss noch viel geforscht werden. 

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