Interview: Urlaub ohne Auto?
Die meisten Menschen in Deutschland verreisen mit dem Auto, dem Zug oder mit dem Flugzeug. Doch wie ist es, mit dem Fahrrad in den Urlaub zu fahren? Welche Vorteile hat das und worauf muss man bei der Planung besonders achten?
Sunniva Vohland (46 Jahre) und ihre Zwillinge Ella und Enno (12 Jahre) fahren gerne in den Urlaub. Seit ein paar Jahren nutzen sie dafür das Fahrrad. Im Gespräch mit ÖkoLeo erzählt Sunniva, wie sie ihre Reisen planen, welche Vorteile es aus ihrer Sicht beim Reisen ohne Auto gibt und was in Zukunft in Deutschland getan werden muss, damit diese Art zu reisen noch einfacher wird.
ÖkoLeo: Wie kam es dazu, dass ihr euch entschieden habt, mit dem Fahrrad anstatt dem Auto zu verreisen?
Sunniva: Das war eine spontane Entscheidung. Ich bin als Schülerin schon mal den Lahnradweg gefahren. Das hat mir sehr gut gefallen. Mit dem Fahrrad ist man einfach näher am Geschehen. Man kommt auch mal durch kleine Orte und ist direkt in der Natur. Man kann überall Pausen machen und halten, wo es einem gefällt. Die Vorstellung von dieser Unabhängigkeit und der Freiheit hatte es uns angetan, und so haben wir unseren ersten Fahrradurlaub ohne Auto gewagt.
ÖkoLeo: Wie sahen denn eure letzten Urlaube aus?
Sunniva: Früher haben wir ganz klassisch Familienurlaub gemacht. Wir haben das Auto vollgepackt und waren damit in Frankreich auf dem Campingplatz. Wenn man mit dem Auto verreist, übersieht man jedoch viele schöne Orte und fährt einfach dran vorbei. In einem Sommer habe ich dann mit den Kindern überlegt, was wir anders machen können. Dann sind wir mit dem Fahrrad von Köln zur Oma nach Marburg gefahren. Wir haben die Sachen gepackt, sind auf unseren normalen Fahrrädern zu Hause los, den Rhein und die Lahn entlang. Da waren wir zwei Wochen unterwegs.
Letztes Jahr haben wir uns dann getraut, die Fahrräder auch im Zug mitzunehmen und haben den Urlaub an der Nordseeküste verbracht.
ÖkoLeo: Was muss man beachten, wenn man als Familie ohne Auto verreisen möchte?
Sunniva: Also der größte Unterschied ist, dass man nicht so viel mitnehmen kann. Das Auto kann man packen, bis es voll ist. Mit dem Fahrrad und der Bahn muss man sein Gepäck unter Kontrolle haben können. Dann fragt man sich: Was brauche ich wirklich? Wichtig sind Kleidung, die man gut kombinieren kann und vielleicht ein gutes Buch anstatt viel anderes Zeug. Wir haben uns einen Radreiseführer gekauft und uns während des Urlaubs einfach treiben lassen.
ÖkoLeo: Wie sieht so ein Urlaub genau aus?
Sunniva: Wir schlafen in einem Zelt für vier Personen. Darin kann man auch gut sitzen. In dem Vorzelt können wir kochen und falls es regnet, stellen wir dort unsere Sachen ab. Über die Jahre haben wir unsere Campingausrüstung aufgebessert und uns zum Beispiel kuschelige Schlafsäcke und bequemere Isomatten zugelegt. Die Abende verbringen wir oft gemeinsam mit Lesen von dicken Büchern, wie zum Beispiel Harry Potter. Einmal mussten wir sogar ein großes Bücherpaket mit der Post zurückschicken, weil es uns zu schwer wurde.
Tagsüber sind wir eigentlich den ganzen Tag beschäftigt. Vormittags bauen wir meist das Zelt ab und radeln dann ein paar Stunden. Nachmittags besichtigen wir einen Ort oder ein Naturgebiet oder gehen baden. Und abends kehren wir zu einem Campingplatz zurück.
ÖkoLeo: Reisen mit Fahrrad schont das Klima, das ist ein Vorteil. Welche weiteren Vorteile gibt es?
Sunniva: Man kommt durch viele kleine, unbekannte Orte und hat viele nette Begegnungen. Ich denke es liegt daran, dass man abseits von „Ameisenstraßen“ unterwegs ist. Ich meine damit die Orte, wo immer ganz viele Menschen hinfahren. Und das Fahren selbst ist dann schon ein großes Abenteuer, gerade für jüngere Kinder. Zum Beispiel am Fluss entlangzuradeln und da irgendwo reinzuspringen, ist großartig. Da muss man nicht weit reisen.
ÖkoLeo: Gibt es Situationen, die besonders herausfordernd waren?
Sunniva: Letztes Jahr auf der Heimreise sind wir mit dem Zug in Hamburg-Altona hängengeblieben. Dort fuhr kein Zug mehr wegen einer Bombenentschärfung. Ich stand dann da, mit zwei Kindern und wusste nicht wohin. Zuerst sind wir durch die halbe Stadt gefahren, um einen Corona-Test zu machen. Dann erst konnten wir in ein Hotel einchecken. Oder wir hatten mal einen Platten am Fahrrad und konnten die Schrauben nicht lösen. Wir haben aber immer die Erfahrung gemacht, dass man auf nette Leute trifft, die einem helfen.
ÖkoLeo: Wie viel Strecke legt ihr am Tag in etwa zurück?
Sunniva: Bei unseren ersten Touren haben wir in etwa 30-35 Kilometer am Tag geschafft. Und zuletzt rund 80 Kilometer. Manchmal war die Strecke auch länger, wenn die Kinder beispielsweise noch an dem Tag ans Meer wollen. Die Länge kann man aber immer an das Wetter und die Stimmung anpassen.
ÖkoLeo: Wo kann man sich als Familie, die das erste Mal ohne Auto verreisen möchte, Tipps holen?
Sunniva: In Deutschland gibt es viele Fahrradrouten. Die sind sehr gut ausgebaut und man findet im Internet dazu einige Informationen. Dann kann man schauen, wo man unterkommen möchte. Campingplätze, Pensionen, Hotels? Für unterwegs empfehle ich einen Fahrradführer, um nicht immer auf das Handy angewiesen zu sein.
ÖkoLeo: Was muss sich verändern, damit mehr Menschen und Familien mit dem Fahrrad verreisen?
Sunniva: Die Mitnahme von Fahrrädern in der Bahn könnte ausgebaut werden. Da sind die Möglichkeiten sehr knapp. Wir hatten einen kleinen Fahrradreiseanhänger, da waren die Blicke immer sehr kritisch, wenn wir den im Fahrradabteil stehen hatten. Dort sollte mehr Platz sein.
Im Grunde ist es jedoch einfacher als man denkt. Man braucht kein besonderes Equipment und vieles geht spontan, wie zum Beispiel die Buchung von Unterkünften oder Campingplätzen. Ich würde empfehlen, es einfach mal auszuprobieren, besonders als Familie mit Kindern. Man wird überrascht sein, was man alles Spannendes am Wegesrand entdecken kann.
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