Natur erleben: mit dem Ranger im Nationalpark
Hermann Bieber ist Ranger im Nationalpark Kellerwald-Edersee. Er ist häufig mit Kindern und Erwachsenen im Wald unterwegs und zeigt ihnen die Tier- und Pflanzenwelt. Er berichtet ÖkoLeo, wie er Ranger wurde und was man mit Rangern im Wald erleben kann.
ÖkoLeo: Wie sind Sie Ranger geworden?
Hermann Bieber: Ich arbeite schon seit vielen Jahren als Forstwirt hier im Wald, außerdem habe ich eine Ausbildung zum Natur- und Landschaftspfleger gemacht. Seit 2001 gibt es den Naturpark Kellerwald-Edersee. Dort habe ich im Bereich der Umweltbildung im Infohaus KellerwaldUhr gearbeitet.
Das Kerngebiet des Naturparks wurde im Jahr 2004 Nationalpark. Seitdem bin ich dort tätig. Ich habe verschiedene Lehrgänge und Zusatzausbildungen gemacht, zum Beispiel zum Natur- und Landschaftsführer sowie zum Waldpädagogen. Dabei habe ich noch mehr über Tiere und Pflanzen gelernt. Und darüber, wie man Menschen für die Natur begeistern und ihre Sinne schärfen kann.
ÖkoLeo: Wie sieht die Arbeit eines Rangers aus?
Hermann Bieber: Von Frühjahr bis Herbst ist bei uns Hochbetrieb. Viele Besucher und Gruppen kommen zu uns in den Nationalpark. Ich mache viele Führungen und bin mit Menschen im Wald unterwegs. Oder ich arbeite in einer unserer Bildungseinrichtungen wie dem NationalparkZentrum Kellerwald oder dem BuchenHaus und betreue dort Besucherinnen und Besucher.
Mit Kindern und Jugendgruppen wandern wir aber nicht nur durch den Wald und reden. Wir haben viele Spielideen auf Lager und werden selbst kreativ, gestalten zum Beispiel eigene Kunstwerke aus Blättern und Zweigen oder bauen Winterquartiere wie die Tiere.
Dabei können Kinder ganz nebenbei eine Menge lernen – zum Beispiel sich in der Natur zu bewegen ohne hinzufallen. Oft sehen sie den Wald anschließend mit anderen Augen. Wichtig ist, dass wir Menschen keine dauerhaften Spuren hinterlassen. Denn im Nationalpark gilt das Motto "Natur Natur sein lassen".
ÖkoLeo: Was kann man auf einer Wanderung mit dem Ranger erleben?
Hermann Bieber: Mir ist es wichtig, dass die Besucherinnen und Besucher, und besonders die Kinder, die Natur erleben mit Kopf, Herz und Hand. Ich will ihnen nicht einfach nur viel erzählen oder erklären, sondern sie sollen es selbst erfahren und erleben.
Dazu gehört, dass man sich selbst im Wald bewegt – manchmal geht es ganz schön steil rauf und runter. Mit uns Rangern dürfen die Gäste auch die Wege verlassen, was sonst nicht erlaubt ist. Wenn wir dann tiefer in den alten Buchenwald kommen, kann man Dinge entdecken, die man sonst nicht sieht, etwa sehr alte Bäume und richtige Urwaldgebiete.
Und wir Ranger machen Natur sinnlich erfahrbar: Ich mache die Kinder zum Beispiel immer darauf aufmerksam, dass es kalte Bäume und warme Bäume gibt. Das kann jeder selbst ausprobieren: Die Hände aneinander reiben und an die eigenen Wangen legen: fühlt sich warm an. Die Hände reiben und an einen glatten Buchenstamm legen: fühlt sich ganz kühl an – hingegen fühlt sich der Stamm der Lärche mit einer dicken Rinde ganz warm an.
ÖkoLeo: Kann man mit Ihnen auch Tiere entdecken?
Hermann Bieber: Ja, natürlich! Sehr oft finden wir bei unseren Wanderungen zum Beispiel die auffälligen gelb-schwarzen Feuersalamander, oder Blindschleichen, Frösche und Schnecken. Mit Becherlupen können wir kleine Tiere genauer betrachten. Manchmal sehen wir auch Hasen, Rehe oder Hirsche oder seltener auch mal ein Wildschwein.
Zum Nationalpark gehört auch der WildtierPark Edersee. Hier können Groß und Klein heimische Wildtiere wie Rothirsche oder Wildkatzen und ehemals heimische Wildtiere wie Wisente, Wölfe oder Luchse anschauen. Bei bestimmten Veranstaltungen können Kinder auch mit den Tierpflegern mitgehen und ihre Arbeit kennenlernen.
ÖkoLeo: Darf man auch im Nationalpark übernachten?
Hermann Bieber: Im Nationalpark übernachten oder zelten darf man normalerweise nicht. Ranger bieten aber im Sommer öfter Nachtveranstaltungen an, zum Beispiel die Wildnisnacht für Familien. Gemeinsam mit dem Ranger darf die Gruppe dabei die Nacht im Wald verbringen, den nachtaktiven Tieren auf die Spur kommen und im Schlafsack unter einer Plane schlafen. Das ist ein ganz besonderes Erlebnis!
ÖkoLeo: Was sind die wichtigsten Regeln im Nationalpark?
Hermann Bieber: Es geht bei uns im Nationalpark ja darum, dass die Natur sich ungestört entwickeln kann. Deshalb sollen die Menschen auf den Wegen bleiben. Sie dürfen nicht im Wald zelten oder Feuer machen und auch keine Tiere oder Pflanzen mitnehmen, zum Beispiel auch nicht Pilze sammeln. Und Hunde müssen an der Leine gehen.
ÖkoLeo: Was sind eigentlich Boggel? Über sie liest man einiges auf der Internetseite des Nationalparks. Gibt es sie wirklich?
Hermann Bieber: Boggel sind kleine Wesen, halb Tier, halb Pflanze, die den zweiblättrigen Buchenkeimlingen sehr ähnlich sehen. Buchenkeimlinge sind die zarten ersten grünen Pflänzchen, die im Frühjahr aus den Buchensamen auf dem Waldboden entstehen. Boggel sollen in tiefen naturnahen Buchenwäldern leben.
Es soll auch Boggel hier im Nationalpark geben. Es gibt zahlreiche Geschichten und sogar kleine Filme über sie, die man im NationalparkZentrum Kellerwald, in der WildnisSchule und auf unserer Internetseite unter www.nationalpark-kellerwald-edersee.de erfahren und anschauen kann. Einige Ranger gehen auch mit Kindern im Wald auf Boggelsuche.