01. Oktober 2019 Landschaften & Ökosysteme, Wetter & Jahreszeiten

Interview: Trockenheit – Wie geht es dem Wald?

In den Jahren 2018 und 2019 herrschte extreme Dürre und richtete große Schäden in den Wäldern an. Wie sieht es dort zurzeit aus? ÖkoLeo hat dazu eine Försterin befragt. Hanna Stroh betreut ein Revier bei Bad Schwalbach.

ÖkoLeo: Frau Stroh, in den Medien wird berichtet, dass es den Wäldern zurzeit nicht gut geht. Kann man das sehen, wenn man selbst im Wald unterwegs ist?

Portraitbild von Hanna Stroh
Försterin Hanna Stroh betreut ein Revier bei Bad Schwalbach. (Bild: © S. Eifert / HessenForst)

Hanna Stroh: Das kann man ungefähr seit dem Herbst 2018 sehr gut sehen. Natürlich gibt es Unterschiede, je nach Region. Vor allem die Fichten sterben massenweise ab. Das sieht man daran, dass sie braun sind und keine grünen Nadeln mehr haben. Man sieht nur noch ein braunes Gerippe. Und die Rinde fällt von den Bäumen ab.

Mittlerweile betrifft das auch die Laubbäume. Bei den Buchen sieht das Laub welk aus. Es verfärbt sich früher im Jahr als sonst. Oft hängt es noch an den Bäumen, aber diese sehen einfach nicht gesund aus. Die Äste werden trocken und fallen herunter. Das geht bis zu dem Punkt, wo der ganze Baum abstirbt.

Grüne und braune Bäume von oben
Nach langer Trockenheit verfärben sich die Nadeln der Fichten (Bild: © U. Brandes / HessenForst)

ÖkoLeo: Dauert es lange, bis ein Baum abstirbt? Wie läuft das ab?

Hanna Stroh: Manchmal kann das relativ schnell gehen. Hauptsächlich bei der Fichte. Das kommt auch durch den Befall mit Borkenkäfern. Erst verfärben sich die Nadeln, teilweise fallen sie aber auch schon grün ab. Bei manchen Bäumen wird die Krone von unten her braun, bei manchen von oben her, je nachdem, was für Käfer im Baum sind. Dann wird die Rinde rissig und blättert stückweise ab bis zu dem Punkt, wo sie dann komplett abgefallen ist. Das dauert mehrere Wochen.

ÖkoLeo: Dass Bäume absterben, liegt also auch an Borkenkäfern, nicht nur an der Trockenheit?

Hanna Stroh: Das hängt alles zusammen. In normalen Jahren, wenn der Baum mehr Wasser zur Verfügung hat, kann er sich besser wehren. Dann kann er mehr Harz produzieren. Außerdem vermehren sich die Käfer wegen der Trockenheit und Wärme schneller. Momentan gibt es Massen davon.

ÖkoLeo: Kann man die Käfer an den Bäumen sehen?

Hanna Stroh: Von weitem kann man die Käfer nicht erkennen, weil die höchstens drei bis vier Millimeter groß sind. Außerdem leben sie unter der Rinde. Dass ein Baum befallen ist, erkenne ich an den Folgen, die ich gerade beschrieben habe: dass der Baum langsam anfängt abzusterben.

Das kommt daher, dass die Borkenkäfer ihre Gänge unter der Rinde fressen. Dort verlaufen die Leitbahnen des Baumes, mit denen er seine Versorgung mit Wasser und Nährstoffen steuert. Wenn diese Bahnen unterbrochen sind, kann der Baum kein Wasser mehr aufnehmen und stirbt ab.

Wenn man mal unter die Rinde guckt, dann erkennt man diese Fraßgänge, wo die Käfer leben. Und man sieht die Käfer in allen Stadien. Eier, Larven und Käfer, die herumkrabbeln. Das kann man bei Bäumen, die absterben, gut sehen, weil man die Rinde leicht abreißen kann.

Gefurchtes Stück Borke am Boden voller Nadeln
Abgefallene Nadeln und Rindenstücke mit Fraßspuren der Borkenkäfer (Bild: © Felix Reinbold / HessenForst)

ÖkoLeo: Wirken sich die Schäden an Bäumen auch auf Waldtiere aus?

Hanna Stroh: Ganz unterschiedlich. Rehwild oder Hirschen oder Wildschweinen schadet es nicht direkt, wenn Bäume absterben. Aber die Trockenheit ist auch für sie ein Nachteil. Denn auch die anderen Pflanzen im Wald leiden unter Wassernot. Auch Wiesen im Wald sind trocken. Das kann man auch sehen, weil auch sie teilweise braun sind. Und von den Wiesengräsern und -kräutern ernähren sich Rehe und Hirsche unter anderem. Irgendwann könnte also das Futter knapp werden. Aber das ist momentan noch nicht so schlimm.

In der Tierwelt gibt es auch Arten, die von der Lage profitieren. Zum Beispiel der Specht. Der klopft seine Höhlen oft in dicke alte Buchen, am liebsten in Totholz. Wenn mehr Buchen durch die Trockenheit absterben, ist das für Spechte natürlich optimal.

Aber zum Beispiel für die Waldameise wird es momentan immer kritischer. Denn zu ihrem Lebensraum gehören unter anderem gesunde Fichten. Dort finden sie ihre Nahrung und bauen ihre Hügel in die Nähe.

ÖkoLeo: Was bedeuten die Trockenheit und die Schäden für die Arbeit der Försterinnen und Förster? Was haben Sie zurzeit im Wald zu tun?

Hanna Stroh: Es ist kein normales Jahr. Normalerweise planen wir, wieviel Holz in welchen Waldbeständen geerntet wird. Dann markieren wir einzelne Bäume, die gefällt werden sollen. Aber momentan können wir nichts planen. Wir schauen nur: Wie bekommen wir das Käferholz aus dem Wald raus? Das befallene Holz muss weggeschafft werden, damit die Käfer nicht die nächsten Fichten befallen. Da kommen wir kaum hinterher. Wir versuchen zu retten, was zu retten ist.

Dazu kommt die Verkehrssicherung. Viele absterbende Bäume stehen direkt an der Straße, das wird natürlich irgendwann gefährlich. Wir schauen auch, ob tote Äste in den Bäumen hängen. Die versuchen wir zu entfernen, damit niemandem etwas passiert.

ÖkoLeo: Muss ich zurzeit etwas beachten, wenn ich im Wald unterwegs bin?

Hanna Stroh: Zum Glück hatten wir nun eine kurze Regenphase, daher ist die Waldbrandgefahr nicht mehr ganz so groß. Aber wenn es wochenlang trocken ist, ist die Gefahr natürlich sehr hoch. Dann gilt grundsätzlich: Es darf kein Feuer im Wald gemacht werden, und es darf keine Zigarette weggeworfen werden. Denn dann können plötzlich ganze Baumbestände in Flammen stehen, weil alles hochentzündlich ist.

Und es ist wegen toter Äste und Bäume etwas gefährlicher als in normalen Jahren, im Wald unterwegs zu sein. Wir schauen verstärkt darauf, aber wir können nicht jeden Waldweg kontrollieren. Man sollte nach oben schauen und darauf gefasst sein, dass Äste herabfallen könnten.

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