17. November 2023 Landwirtschaft & Garten

Interview: Warum Gärten in der Stadt mehr bieten als Gemüse

In Frankfurt pflanzen hunderte von Menschen gemeinsam Tomaten und Salat an. Und manchmal auch Kiwis und Riesenspinat. Doch es geht nicht nur um Lebensmittel. Anna Zollner hat ÖkoLeo erklärt, was hinter den Gemeinschaftsgärten steckt.

ÖkoLeo: Frau Zollner, Sie arbeiten beim Verein GemüseheldInnen in Frankfurt am Main. Was passiert dort?

Anna Zollner: Wir sind ein großes, buntes Gemeinschaftsgartenprojekt. Was wir machen, nennt man auch „Urban Farming“ (englisch für „Landwirtschaft in der Stadt“). Wir sind mittlerweile über 350 Personen, die mitgärtnern.

ÖkoLeo: Wie kann man sich das vorstellen?

Anna Zollner: Wir haben verschiedene Gärten im Stadtgebiet verteilt. Alle Interessierten können mitgärtnern, zum Beispiel aus der Nachbarschaft. Die Gärten sehen schön aus! Wir wollen nicht nur quadratische Gemüsebeete haben. Wir wollen auch Bäume und Sträucher, die viele Jahre stehenbleiben. Die bringen ein bisschen Kühle in die Stadt und helfen, das Klima zu verbessern. Und es wachsen Pflanzen, die blühen. Das ist wichtig für Insekten.

Und die Menschen, die mitgärtnern, sagen oft: Hier blüht es, hier summt es, hier kann man sich gut entspannen. Das kommt in der Stadt häufig zu kurz.

Blick auf Gemüsebeete, mehrere Personen sind bei der Gartenarbeit
Gemeinsam zu gärtnern ist mindestens genauso wichtig wie das Gemüse. (Bild: GemüseheldInnen e.V.)

ÖkoLeo: Wo genau ist denn in einer Stadt wie Frankfurt Platz für solche Gärten?

Anna Zollner: Man glaubt es kaum, aber es gibt noch viele ungenutzte Flächen in Frankfurt. Viele sollen später bebaut werden. Aber auch die kann man in der Zwischenzeit nutzen.

Was bisher wenig genutzt wird, sind Dachflächen. Die sind gut geeignet für Gemüseanbau oder Agrophotovoltaik. Das bedeutet, dass über dem Gemüse Solarzellen angebracht werden.

Es gibt oft auch freie Grünflächen zwischen den Häusern. Wir arbeiten auch mit einem Altersheim zusammen. Wir gärtnern rund um das Heim, zusammen mit den Menschen, die dort leben.

ÖkoLeo:Wird nicht auf dem Land genügend Gemüse angebaut?

Anna Zollner: Lebensmittel haben oft weite Transportwege hinter sich. Diese Transporte führen zum Ausstoß von Treibhausgasen. Wir können aber in der Stadt unser eigenes Gemüse anbauen. Damit verringern wir nicht nur die Transporte. Wir lernen auch voneinander, Lebensmittel selbst anzubauen. Wenn wir das gemeinsam machen, kommt viel mehr dabei heraus als Gemüse. Gerade in einer Großstadt wie Frankfurt gibt es viele Menschen, die Gemeinschaft erleben wollen.

ÖkoLeo: Ernten sie viel?

Anna Zollner: Wir können nicht ganz Frankfurt versorgen. Darum geht es auch nicht. Aber die Menschen, die auf den Flächen mitgärtnern, können sich in den Sommermonaten mit Gemüse versorgen.

Selbst angebautes Gemüse hilft, Treibhausgase einzusparen. (Bild: GemüseheldInnen e.V.)

ÖkoLeo: Ist das Gemüse nicht belastet durch die Großstadtluft?

Anna Zollner: Das ist ein wichtiges Thema. Eine Verkehrsinsel oder Flächen an einer Straße sind nicht geeignet. Denn dort entsteht Feinstaub und wird vom Wind weitergetragen. Wir achten auf einen Mindestabstand zu Straßen. Und Bäume und Sträucher können einen Windschutz bieten.

Auch der Boden kann belastet sein. Man muss schauen, was vorher auf der Fläche passiert ist. Man kann auch Bodenproben entnehmen. So können wir sichergehen, dass nichts Giftiges im Boden ist.

Im Einklang mit der Natur

Die GemüseheldInnen verzichten auf chemische Dünger und Pflanzenschutzmittel. Stattdessen nutzen sie die Zusammenhänge und Kreisläufe in der Natur. Zum Beispiel können auf kleinem Raum verschiedene Pflanzen wachsen, die sich gegenseitig vor Schädlingen schützen oder Schatten spenden. Pflanzenreste und Bio-Abfälle werden kompostiert und liefern dem Boden Nährstoffe. Diese Art des Gartenbaus wird Permakultur genannt, übersetzt: „dauerhafte Landwirtschaft“.

ÖkoLeo: Gibt es Gemüsesorten, die in der Stadt besser wachsen als anderswo? Oder schlechter?

Anna Zollner: Es ist alles möglich, was in unserer Region wächst. Weil es in den letzten Sommern teilweise so heiß war, kann Schatten sinnvoll sein. Bäume oder Sträucher können für Schatten sorgen. Was mich selbst überrascht hat, ist, dass hier Kiwis wachsen. Aber meistens werden bei uns die bekannten Gemüsesorten gepflanzt wie Kürbisse, Gurken, Tomaten, Salat.

Manchmal hat auch jemand Lust, etwas auszuprobieren. Es gibt sehr ungewöhnliche Gemüsesorten.

ÖkoLeo: Was denn zum Beispiel?

Anna Zollner: Wir haben mit alten Gemüsesorten experimentiert. Darunter war eine alte Spinatsorte, die wahnsinnig große Blätter hat. Das sah aus wie im Dschungel!

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