Interview: Was tut sich im Herbst im Wald?
Was können wir im Herbst im Wald sehen und hören? Wie bereiten sich Tiere und Pflanzen auf den Winter vor? Darüber sprach ÖkoLeo mit Carl Hellmold, Förster und Revierleiter im Stiftswald Kaufungen in der Nähe von Kassel.
ÖkoLeo: Was kann man zurzeit im Wald entdecken?
Carl Hellmold: Jetzt im Herbst leuchten die Blätter der Laubbäume in verschiedenen Farben, und sie fallen zu Boden. Auch die verschiedenen Früchte der Bäume fallen nun herunter – zum Beispiel Eicheln oder Bucheckern, auch Kiefern- oder Fichtenzapfen. Außerdem findet man auf dem Waldboden viele verschiedene Pilze mit zum Teil ganz ungewöhnlichen Farben und Formen – da lohnt es sich genauer hinzuschauen!
Abschneiden und mitnehmen sollte man aber nur essbare Pilze, die man kennt und auch nur so viele, wie man selbst essen kann. Es sollte auf jeden Fall immer ein Erwachsener dabei sein, der sich mit Pilzen auskennt.
ÖkoLeo: Was tun die Waldtiere im Herbst?
Carl Hellmold: Viele Waldtiere wie Rehe, Hirsche oder Wildschweine fressen sich jetzt im Herbst Speck an. Sie fressen so viele Früchte, Eicheln und anderes, dass sie später im Winter von ihren Fettreserven zehren können. In den kalten Monaten stellen sie dann ihren Stoffwechsel um. Sie schalten sozusagen in den "Energiesparbetrieb" und bewegen sich viel weniger.
Andere Tiere legen Vorräte für den Winter an. Die Eichhörnchen zum Beispiel sammeln Eicheln und Nüsse und verstecken sie unter toten Wurzeln oder vergraben sie im Boden. Wenn man nicht zu laut ist und eine Weile ruhig stehenbleibt, kann man sie in der Nähe von Eichen manchmal beobachten. Auch der Eichelhäher, ein Vogel, sammelt jetzt Vorräte für den Winter, er ist ebenfalls auf Eicheln spezialisiert und sammelt sie in Verstecken.
ÖkoLeo: Finden die Tiere ihre versteckten Vorräte denn wieder?
Carl Hellmold: Nein, nicht immer. Manchmal finden sie die Vorräte nicht mehr. Manchmal kommen die Tiere auch um, und dann bleiben die Verstecke unentdeckt. Oft wachsen an solchen Stellen später Eichen. Das kann dann auch in einem Bereich des Waldes sein, wo sonst nur Nadelbäume stehen – so nehmen diese Tiere auch Einfluss auf die Zusammensetzung und Verteilung der Pflanzenwelt im Wald.
ÖkoLeo: Was bedeutet es für die Tiere, dass im Herbst das Laub auf den Boden fällt?
Carl Hellmold: Für viele Tiere, besonders für Insekten, bietet das Laub vor allem Schutz. Es wärmt und schützt den Waldboden vor Frost. Frost bedeutet für viele Kleintiere und Käferlarven den Tod. Auch Igel verkriechen sich gern im Laub für ihre Winterruhe.
ÖkoLeo: Was lässt sich über die Lebensgemeinschaft im Wald sagen?
Carl Hellmold: Die Pflanzen und Tiere im Wald hängen sehr stark voneinander ab. Pflanzen sind eine wichtige Basis für das Leben der Tiere. Diese können ja nur dort überleben, wo sie das Futter finden, das sie brauchen. Und das bieten ihnen zum Teil die Pflanzen mit ihren Zapfen, Eicheln und Früchten. Auch junge Keimlinge der Bäume sind im Frühjahr ein beliebtes Futter. Daher ist eigentlich jeder ausgewachsene Baum, der aus einer herabgefallenen Eichel im Wald entstanden ist, ein kleines Wunder. Die Chancen für eine Eichel, zu einem alten Baum zu werden, stehen eins zu einer Million! Das bedeutet, dass es statistisch gesehen 999.999 Eicheln nicht schaffen, weil sie vorher gefressen oder auf andere Weise vernichtet wurden.
Auch einige Bäume und Pilze haben eine enge Verbindung. Manche Pilze findet man nur in der Nähe bestimmter Bäume. Sie sind verbunden mit deren Wurzeln. So findet man zum Beispiel Steinpilze klassischerweise in der Nähe von Eichen und Buchen und Birkenpilze bei Birken. Baum und entsprechender Pilz hängen voneinander ab – sie tauschen Nährstoffe, Wasser und Zucker miteinander aus. Solche Lebensgemeinschaften, wo beide "Partner" einander brauchen, nennt man auch Symbiose.
Was hat eigentlich ein Baum wie eine Eiche davon, dass sich Tiere von ihren Früchten ernähren? Der Nutzen für die Bäume liegt darin, dass sie sich besser verbreiten können. Denn es werden eben nicht alle Eicheln tatsächlich gefressen! Eichhörnchen zum Beispiel finden nicht alle Vorräte wieder, die sie vergraben haben. An diesen Stellen bleiben Eicheln liegen und keimen. So wachsen in der Umgebung neue Bäume heran. In etwas Entfernung vom Stamm findet der "Nachwuchs" oft bessere Bedingungen, zum Beispiel mehr Platz und Licht. Außerdem sind die Samen des Baumes im Versteck gut geschützt.
ÖkoLeo: Und was kann man außer Vogelgezwitscher und Blätterrauschen im Herbst im Wald noch hören?
Carl Hellmold: Zum Beispiel Motorsägen! Laubbäume werden nur in der kalten Jahreszeit gefällt, wenn die Blätter abgefallen sind und weniger Wasser im Holz enthalten ist. Daher sind Herbst und Winter die Hauptsaison für Holzfäller. Wir Förster nennen das auch "Holzeinschlag".
Urheberrecht: Nutzen erlaubt!
Die Texte von ÖkoLeo dürfen kostenlos für Bildungszwecke und andere nicht-kommerzielle Zwecke verwendet werden. Sie stehen unter der Creative Commons-Lizenz CC BY-NC 3.0 DE. Für Fotos können abweichende Regelungen gelten. Urheber und Lizenz müssen immer genannt werden! Bitte beachten Sie die Hinweise im Impressum.