05. Dezember 2016 Klimaschutz

Interview: Was bewirkt der Klimawandel in Hessen?

"Schlimmere Folgen können wir noch vermeiden – doch bereits heute machen sich die Auswirkungen des Klimawandels auch in Hessen bemerkbar", sagen Fachleute. Was genau wird sich ändern? Und wie können wir uns darauf einstellen? ÖkoLeo hat mit Heike Hübener gesprochen. Sie ist Klimaforscherin und arbeitet beim "Fachzentrum Klimawandel" vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie.

ÖkoLeo: Frau Hübener, warum brauchen wir in Hessen ein eigenes "Fachzentrum Klimawandel"?

Heike Hübener: Hessen ist vom Klimawandel betroffen – da passiert schon ganz viel und da gibt es auch nichts zu rütteln.

ÖkoLeo: Heißt das, der Klimawandel wirkt sich schon heute auf Hessen aus?

Heike Hübener: Ja. Es ist insgesamt wärmer geworden als früher, besonders im Winter. Aber auch in den anderen Jahreszeiten wird es bereits merklich wärmer. Im Winter schneit es seltener, dafür regnet es häufiger. Im Sommer regnet es dagegen insgesamt weniger. Aber dafür kann es manchmal viel stärker regnen. Man spricht dann von "Starkregen". Denn wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kältere Luft. Eine Gewitterwolke in wärmerer Luft enthält also mehr Wasser als eine Gewitterwolke in kühlerer Luft. Daher kann es plötzlich für einige Minuten oder Stunden "schütten". Weil solche Wassermassen nicht gleich versickern können, kann das zu Überschwemmungen führen.

Wegen der Erwärmung kann es allgemein häufiger zu Wetterextremen kommen. Außer Starkregen kann es zum Beispiel mehr Hitzewellen geben.

Auch wenn man vergleicht, wann früher die Apfelbäume geblüht haben und wann sie heute blühen, wird die Veränderung deutlich. Die Apfelbäume blühen heute schon zwei Wochen früher als noch in den 1950er- und 1960er-Jahren.

Heike Hübener vom Fachzentrum Klimawandel.
Heike Hübener vom Fachzentrum Klimawandel. (Bild: privat)

ÖkoLeo: Woher wissen Sie das denn?

Heike Hübener: Wir führen Forschungsprojekte durch, zum Beispiel zusammen mit Universitäten oder Forschungsstationen. Dort arbeiten Fachleute, die Beobachtungen machen und die Zusammenhänge erforschen. Sie nutzen dafür Messgeräte und Computer, aber sie beobachten auch die Natur. Sie gehen zum Beispiel regelmäßig in den Wald und schauen, welche Vögel schon brüten oder welche Tiere noch Winterschlaf halten.

Erklärungen zum Klimawandel extra für Kinder gibt es auch beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie. Du kannst dir die Broschüre "Das Klima ändert sich" kostenlos als PDF im Internet herunterladen.

Die Fachleute vergleichen dann die Daten für einen langen Zeitraum, sogenannte Datenreihen. Dabei werden mindestens 30 Jahre untersucht. An diesen Datenreihen sehen wir, ob sich überhaupt etwas verändert hat. Ob es nur Zufall war. Oder, ob sich tatsächlich das Klima verändert hat. Und natürlich, was das für Auswirkungen hat.

ÖkoLeo: Wo liegt denn das Problem, wenn sich das Klima in Hessen ändert?

Heike Hübener: In verschiedenen Regionen von Hessen gibt es ganz unterschiedliche Auswirkungen.

Im Süden ist es eher trocken. In einigen Jahren, in denen es besonders warm war, gab es deswegen erhöhte Waldbrandgefahr. Ein Waldbrand hat natürlich einen bestimmten Auslöser, er wird nicht direkt vom Klimawandel verursacht. Aber wenn zum Beispiel die Zeiträume immer länger werden, in denen das Gras am Waldboden sehr trocken ist, hängt die Waldbrandgefahr klar mit dem Klimawandel zusammen.

In Mittelhessen haben wir sehr viel Landwirtschaft. Wenn es im Winter nicht kalt genug ist und der Boden nicht friert, kann der Landwirt nicht mit seinem Trecker auf den Acker fahren. Er würde leicht einsinken und dadurch den Boden zerstören.

Und in Nordhessen haben wir viele Wälder. Dort machen heiße und trockene Sommer den Fichten Probleme. Denn die Fichte mag es nicht zu trocken.

ÖkoLeo: Sind auch Tiere betroffen?

Heike Hübener: Der Klimawandel verändert die Lebensbedingungen für alles in der Natur. Mir fällt also eigentlich nichts und niemand ein, der nicht von den Veränderungen betroffen ist. Wir stellen fest, dass sich einige Zusammenhänge in der Natur entkoppeln und einige Abläufe nicht mehr funktionieren. In der Natur funktioniert vieles nach Systemen, die sich über Jahrtausende entwickelt haben. Brutzeiten, Winterschlaf, Blütezeit – viele kleine Dinge sind aufeinander abgestimmt.

Siebenschlaefer
Wenn es früher wärmer wird, verkürzt der Siebenschläfer seinen Winterschlaf. (Bild: markusstengle/ pixabay.com/ CC0 Public Domain)

ÖkoLeo: Was bedeutet das, haben Sie Beispiele?

Heike Hübener: Der Siebenschäfer zum Beispiel verkürzt seinen Winterschlaf. Er wird wach, wenn es warm wird. Und da es immer früher warm wird, wacht er früher auf. Das Problem ist dabei, dass er Vögeln in die Quere kommt, die noch brüten. Denn Siebenschläfer ruhen sich tagsüber gerne in Nistkästen von Vögeln aus. Und wenn dort ein Vogelei liegt, frisst der Siebenschläfer das auch gerne mal.

Die Bienen fliegen heute früher als noch vor wenigen Jahrzehnten. Denn die durchschnittlichen Temperaturen zu Jahresbeginn sind gestiegen. An warmen Tagen im Frühjahr kannst du nach den Insekten Ausschau halten. Entdeckst du auch Blüten, die sie anfliegen?

Vögel brüten genau dann, wenn es besonders viel Futter für sie und ihre Jungen gibt. Zum Beispiel die Raupen, die man im Frühjahr auf den Buchenblättern findet. Wenn sich aber die Raupen früher verpuppen, weil die Buchenblätter viel früher gewachsen sind, dann findet der Vogel für seine Jungen keine Nahrung mehr.

ÖkoLeo: Wie reagieren die Tiere auf diese Veränderungen?

Heike Hübener: Wir haben beobachtet, dass einige Tiere ihren Lebensraum verlagern und fortziehen – dahin, wo das Klima für sie stimmt. Andere Tiere dagegen kommen zu uns, zum Beispiel Mückenarten aus südlicheren Ländern. Die mögen es nämlich gerne warm und feucht.

Tiere können sich an ein verändertes Klima anpassen, aber das dauert lange. Die Veränderungen brauchen mehrere Genrationen.

ÖkoLeo: Und was sind die Folgen für Pflanzen?

Heike Hübener: In Südhessen zum Beispiel gibt es sehr viel Obstanbau. Wenn es im Winter nicht mehr so kalt wird, ruhen die Bäume zu wenig. Leider können die meisten Pflanzen im Gegensatz zu Tieren nicht so schnell "umziehen", wenn das Klima für sie nicht gut ist.

ÖkoLeo: Was erwarten Sie für die Zukunft?

Heike Hübener:
Wir Menschen können sicher auch in hundert Jahren noch gut in Hessen leben, aber wir müssen uns anpassen. Zum Beispiel indem wir mehr Bäume pflanzen, um im Sommer mehr Schatten zu haben. Oder in der Landwirtschaft andere Systeme zum Bewässern anlegen. Dann können wir im Sommer besser mit Trockenheit und Hitze umgehen.

Hessen will bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu sein. Das bedeutet, dass dann möglichst keine Treibhausgase mehr ausgestoßen werden sollen. Zum Beispiel soll Strom und Wärme aus erneuerbaren Energien wie Sonne und Wind genutzt werden. Dabei müssen alle mithelfen. Die Landesregierung arbeitet daher an einem Klimaschutzplan. Er beschreibt, was Unternehmen, der Verkehr, aber auch private Haushalte zum Klimaschutz beitragen sollen. ÖkoLeo hat bereits über den Klimaschutzplan berichtet.

ÖkoLeo: Können wir nicht auch mehr gegen den Klimawandel tun? Lässt sich da noch etwas machen?

Heike Hübener:
Ja, da lässt sich noch etwas machen. Aber wir müssen jetzt unser Verhalten verändern und dann Geduld haben. Das Klimasystem ist so langsam wie ein großer Ozeandampfer. Wenn man bei dem auf die Bremse tritt, hält er nicht sofort an. Das bedeutet übertragen auf das Klima: Wir müssen jetzt ganz stark auf die Bremse treten, damit wir die Folgen des Klimawandels in der Zukunft verringern. Wir müssen jetzt etwas für den Klimaschutz tun, was sich aber erst in vielen Jahren auswirken wird.

Der Klimawandel, der bereits eingetreten ist, hängt mit unserem Verhalten in der Vergangenheit zusammen. Die Menschen haben in der Vergangenheit einen enormen Ausstoß von Treibhausgasen verursacht – das Klima reagiert jetzt.

Wenn wir das Klima schützen, können wir schlimmere Folgen noch vermeiden. Ein Weg ist zum Beispiel, möglichst wenig Energie aus Kohle, Erdgas und Erdöl zu verbrauchen. Aber wir müssen uns auch schützen vor den Folgen des Klimawandels, die wir jetzt schon beobachten.