Interview: Wohnen im Mini-Haus
Immer mehr Menschen leben in sogenannten Tiny Houses. Das ist Englisch und bedeutet „winziges Haus“. Warum entscheidet man sich dazu, auf engstem Raum zu wohnen? Und was hat das mit der Umwelt zu tun?
Aus einer großen Wohnung in ein winziges Häuschen ziehen. Das hat Wolfgang Meister gemacht. Er ist 63 Jahre alt und ist vor zwei Jahren in sein Tiny House auf dem Land gezogen. Davor hat er in einer großen Wohnung in Frankfurt gewohnt, also in einer Großstadt. Wir haben mit Wolfgang über sein besonderes Zuhause gesprochen.
ÖkoLeo: Sie wohnen in einem Tiny House. Wie sieht ihr Haus aus?
Wolfgang Meister: Mein Häuschen ist zehn Meter lang und 2,5 Meter breit und hat runde Ecken. Es ist also nur wenige Quadratmeter groß. Eigentlich ist es eher ein Wagen, denn das Haus steht auf vier alten LKW Reifen. Es könnte also auch gezogen werden. Das Dach ist flach. Darauf habe ich eine Solaranlage montiert, die Strom erzeugt.
ÖkoLeo: Wohnen Sie dort allein?
Wolfgang Meister: Ich wohne allein in meinem Haus. Vielleicht könnte hier noch eine weitere Person einziehen. Mein Tiny House hat eine Grundfläche von 33 Quadratmetern. Es gibt Menschen, die zu zweit in einem Haus dieser Größe wohnen. [Anmerkung der Redaktion: Viele Kinderzimmer in Deutschland sind etwa 14 Quadratmeter groß. Das Tiny House ist also etwa so groß wie zwei Kinderzimmer].
Aber nicht jedes Tiny House ist gleich groß. Es gibt auch Familien mit Kindern, die in größeren Tiny Houses wohnen. Je mehr Personen es werden, desto schwieriger wird es aber. Denn es gibt keine separaten Zimmer und damit weniger Rückzugsorte.
ÖkoLeo: Was unterscheidet ihr Tiny House von einem normalen, größeren Haus?
Wolfgang Meister: Ein normales Haus ist in der Regel aus Stein und Beton gebaut. Mein Haus ist komplett aus Holz.
Der größte Unterschied ist allerdings die Größe. Dementsprechend ist auch das Leben in einem kleinen Haus etwas anders. Ich muss zum Beispiel weniger putzen. Denn auf einer kleinen Fläche entsteht meist weniger Dreck. Außerdem muss ich weniger heizen. Denn ein kleines Haus wird viel schneller warm als ein großes Haus.
Da die Wände meistens dünner sind als in einem "normalen" Haus, geht die Wärme aber auch schneller verloren. Darauf muss man beim Heizen achten.
Darauf muss man beim Heizen achten.
ÖkoLeo: Bekommt man in so einem kleinen Haus denn alles unter, was man für den Alltag braucht?
Wolfgang Meister: Ja klar. Man muss sich eben von vielen Dingen trennen, die man nicht unbedingt braucht. Meine Wohnung in Frankfurt war voll mit Sachen. Ich habe festgestellt, dass ich viele dieser Gegenstände überhaupt nicht benutze. Zum Beispiel im Kleiderschrank. Nur wenige T-Shirts und Hosen ziehe ich wirklich an. Jetzt habe ich keine 35 T-Shirts mehr, sondern nur noch zehn.
Beim Umzug habe ich mich gefragt: Was brauche ich wirklich, um gut zu leben? Daraufhin habe ich mich auf das Wesentliche beschränkt und mich ungefähr von drei Vierteln meiner Besitztümer getrennt. Eigentlich braucht man gar nicht so viele Dinge. Für das Wichtigste ist aber Platz im Tiny House.
Viele Dinge lassen sich auch ersetzen. Zum Beispiel habe ich keinen Wasserkocher mehr. Zum Teekochen nutze ich meinen Holzofen oder einen Gasherd.
ÖkoLeo: Und wie heizt man in einem Tiny House?
Wolfgang Meister: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, ein Tiny House zu beheizen. Ich wollte gerne besonders energiesparend leben. Darum heize ich mit einem Holzofen. Dieser heizt aber nicht nur die Luft im Raum. Der Ofen erwärmt noch einen Wassertank. Das Wasser aus dem Tank funktioniert dann als Heizungswasser, zum Beispiel bei Nacht, wenn der Ofen aus ist. So ist es in meinem Haus auch im Winter schön warm.
Auch meine Solaranlage erzeugt Energie, die ich zum Heizen nutzen kann. Wenn im Frühjahr genügend Sonne scheint, kann ich auch damit das Heizungswasser erwärmen. Im Sommer brauche ich dann keine Heizung mehr.
ÖkoLeo: Und wie erzeugen Sie Strom?
Wolfgang Meister: Zwischen März und November bekomme ich in der Regel genügend Strom durch Solarenergie. Bei Sonnenschein wird die Energie in einer Batterie gespeichert. Kühlschrank, Lampen und Laptop beziehen den Strom dann aus dieser Batterie. Im Winter, wenn nicht genügend Sonne da ist, beziehe ich meinen Strom über ein Stromkabel hier am Platz. Aber eben nur, wenn die Sonne nicht scheint.
ÖkoLeo: Warum haben Sie sich für ein Tiny House entschieden?
Wolfgang Meister: Am wichtigsten war mir der bewusste und sparsame Umgang mit Rohstoffen und Energie. Viele Rohstoffe, die wir Menschen nutzen, stehen nur begrenzt zur Verfügung. Durch das Leben im Tiny House lernt man, diese Dinge mehr zu schätzen. Außerdem lernt man, energiesparend und umweltschonend zu leben. Das fängt beim Strom an und hört beim Wasser auf. Im Winter überlege ich mir zum Beispiel, ob ich mit dem warmen Wasser abends eher mein Geschirr spüle oder ob ich nochmal duschen gehe.
ÖkoLeo: Also ist ein Tiny House besonders gut für die Umwelt?
Wolfgang Meister: Absolut. Es gibt zwischen verschiedenen Tiny Houses natürlich auch Unterschiede. Meist ist der Energieverbrauch aber viel geringer als in einem großen Haus. Zudem stammt der Strom häufig zu einem großen Teil aus erneuerbaren Energien.
In meinem Tiny House spare ich außerdem viel Wasser, da ich eine Trockentoilette habe. Sie funktioniert ganz ohne Wasserspülung. Die Feststoffe kommen auf einen Kompost und werden zu Erde. Wenn man überlegt, dass eine herkömmliche Toilettenspülung fast 10 Liter Wasser verbraucht, spare ich damit eine Menge Wasser. Mein Wasser beziehe ich zum Teil aus Regenwasser, das über das Dach in eine Art Tank geleitet wird.
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